Hamburgs jüngste U-Bahn-Linie, die U4, feierte dieses Jahr runde Geburtstage. Im Sommer 2013 wurde auf der U4 der reguläre Fahrgastbetrieb vom Jungfernstieg bis zur Haltestelle HafenCity Universität aufgenommen. Zwar fuhr die U4 schon 2012, aber bis 2013 fuhren die Züge wochentags nur bis Überseequartier. Der durchgängige Fahrgastbetrieb auf ganzer Länge der Neubaustrecke begann daher erst 2013. Fünf Jahre später wurde zum Fahrplanwechsel 2018 die Verlängerung bis zu den Elbbrücken eröffnet. Dieses Jahr feierte die U4 im Sommer somit auf dem ersten Bauabschnitt bis zur HafenCity Universität 10-jähriges Jubiläum, im Dezember hatte dann der Abschnitt bis Elbbrücken 5-jähriges Jubiläum. Mittlerweile ist die Linie also keine Neuheit mehr. Grund genug für eine kurze Bestandsaufnahme und einen Ausblick in die Zukunft.

Die HafenCity und die U4 – Anfänge und Planungshintergrund

Die HafenCity als großes Stadtentwicklungsprojekt sollte eine gute Anbindung an den ÖPNV erhalten. Das war erklärtes Ziel von Beginn der Planungen des neuen Stadtteils. Die Frage, wie man das am besten erreicht, wurde jedoch in den Jahren der Entwicklung immer wieder in unterschiedliche Richtungen diskutiert.

Im Masterplan der HafenCity aus dem Jahr 2000 wurde ursprünglich eine Einbindung in das damals geplante Stadtbahnnetz vorgesehen, da die Anbindung an das Schnellbahnnetz zu kompliziert und teuer wäre:

„So günstig die HafenCity über die zahlreichen Brücken für den Individualverkehr mit den
benachbarten Stadtteilen verbunden ist, so vergleichsweise schwierig gestaltet sich eine
Integration in das öffentliche Schnellbahnliniennetz. Zwar liegen Haltestellen in Nachbarschaft und die Nahverkehrsknotenpunkte in nicht allzu weiter Entfernung vom Plangebiet; gerade
dies macht aber Netzergänzungen unter Beachtung der notwendigen Trassenparameter sowie Berücksichtigung der schwierigen Gründungsverhältnisse in der HafenCity aufwendig und unverhältnismässig teuer. Das Ziel einer umweltgerechten, leistungsfähigen und nachhaltigen öffentlichen Nahverkehrserschliessung der HafenCity kann mit der Stadtbahn erreicht werden.
[…] Die Option für eine zusätzliche S-Bahn-Station am Elbbrückenzentrum soll offengehalten werden“
Masterplan HafenCity 2000, S.12

Zur Stadtbahn kam es dann nicht, denn 2001 übernahm der Senat unter Ole van Beust in Koalition mit FDP und Schill-Partei die Landesregierung vom vormals rot-grün geführten Senat unter Ortwin Runde. So wurde es zunächst einige Jahre still um die Stadtbahn in Hamburg, ehe dann 2008 mit der neuen schwarz-grünen Koalition wieder etwas Bewegung in die Sache kam. Allerdings wie wir wissen nur kurz, da die Grünen diese Koalition 2010 aufkündigten und das Projekt im weiteren Verlauf der Zeit unter den SPD-geführten Landesregierungen seinen endgültigen Tod starb.

In der Zwischenzeit wurde in den 2000er-Jahren anstelle der Stadtbahn der Bau einer U-Bahn als prestigeträchtiges Verkehrssystem mit zweifellos deutlich stärkerer Außenwirkung diskutiert und gefordert. Man erhoffte sich dadurch auch, besser Investoren für die Entwicklung der HafenCity gewinnen zu können. Und so fiel die Wahl auf die U-Bahn. Dabei wurden mehrere Varianten zur Streckenführung diskutiert.

Die bis dahin vorhandene Linienreinheit des Hamburger U-Bahn-Netzes sollte bereits den ersten Überlegungen zufolge aufgegeben werden. Anstelle der heutigen Überlagerung mit der U2 Richtung Billstedt sahen die ursprünglichen Pläne jedoch eine gemeinsame Führung der U4 mit der U3 vor. Die U4 sollte von Bramfeld kommend zwischen Habichtstraße und Barmbek auf die U3 geführt werden, um anschließend etwa am Rathaus aus dem Bestandstunnel auszufädeln und in die HafenCity geführt werden.

Die Grafik zeigt eine Kartendarstellung der Stadt Hamburg aus dem Jahr 2002, die den im Text beschriebenen Verlauf der U4 von Bramfeld über die bestehende U3-Strecke in die HafenCity darstellt.
So sollte die U4 ursprünglich von Bramfeld über den Ostring der U3 in die HafenCity führen. Die Überlagerung mit der U3 sollten den Abschnitt verstärken und Kapazitätsengpässe auf dem Ostring beseitigen. Quelle: Stadt Hamburg 2002.

Interessanterweise sprachen aus Sicht der Stadt mehrere Gründe für diese Führung, darunter u.a. dass…

  • …Hauptbahnhof und Innenstadt direkt mit einer Linie an die HafenCity angebunden werden
  • …dieses Verkehrsangebot auch bei den Investoren der HafenCity, deren Investitionsbereitschaft für den Erfolg der HafenCity von entscheidender Bedeutung ist, die notwendige Akzeptanz findet
  • …durch eine vollständige Netzintegration erhebliche betriebliche Vorteile gegeben sind und
  • …entsprechend dem Ziel der Wachsenden Stadt die Option einer späteren Weiterführung zur Stärkung der Achse City – HafenCity – Wilhelmsburg – Harburg besteht

Sogar auf die ursprünglich angedachte Idee der Stadtbahn wurde in dem Dokument noch eingegangen und begründet, warum sie sich gegen die U-Bahn nicht durchsetzen konnte. Das geschah aus folgenden vier Gründen:

  • Investorenakzeptanz: Das wurde bereits oben angesprochen. Man erhoffte sich mit der U-Bahn ein stärkeres Signal, um finanzkräftige Investoren für die Entwicklung der HafenCity zu gewinnen. Das ist tatsächlich der Spiegelstrich mit den deutlich längsten Ausführungen (dieser eine Punkt ist länger ausgeführt als alle drei anderen zusammengenommen)
  • Flächenschonung: Man wollte dem Auto kein Platz wegnehmen
  • Beförderungskapazität: Die wäre für eine spätere Weiterführung nach Wilhelmsburg nicht ausreichend, bemerkenswerterweise wurde in diesem Punkt noch ergänzt: „hinzu käme bei einer Stadtbahn als an der Oberfläche geführtem System, dass Umwege zu fahren wären, die zu unnötig längeren und somit weniger attraktiven Fahrzeiten für die neu zu erschließenden Fahrgastpotenziale im Süden der Stadt führen würden.“
  • Integration ins vorhandene System: Grundnetz und Betriebsinfrastruktur (Fahrzeuge, Werkstätten etc.) sind bei der U-Bahn vorhanden, bei der Stadtbahn nicht

Tatsächlich halte ich bis auf die Flächenkonkurrenz zum übrigen Kfz-Verkehr all diese Gründe für nachvollziehbar und grundsätzlich plausibel, dass man auf die U-Bahn gesetzt hat. Die Frage, wie man auf die U-Bahn setzt, ist dann natürlich aber wieder eine andere.

Genau wie die ursprünglichen Gedanken der Stadtbahn als ÖV-System der HafenCity setzen sich dann auch diese ersten Ideen zur U4 über Bramfeld und den Ostring nicht durch. Gebaut wurde letztendlich die U4 in ihrer heutigen Form. An dieser Stelle ist mir nicht mehr ganz nachvollziehbar, aus welchen Gründen der Abzweig vom Jungfernstieg favorisiert wurde. Der Wikipedia-Artikel zur U4 erwähnt hier relativ vage, dass aufbauend auf diesen Ideen 34 mögliche Ausfädelungen aus dem Bestandsnetz untersucht wurden.

Letztlich wurde sich dann dem Wikipedia-Artikel zufolge für die heute gebaute Version entschieden, da sich einerseits eine bessere Netzwirkung durch die Einbindung am Jungfernstieg erhofft wurde, diese Lösung die Möglichkeit von 120 m langen Zügen bietet (das geht auf der U3 wegen der teilweise zu kurzen Bahnsteige nicht) und zu Letzt „insbesondere die geringen Auswirkungen auf die Innenstadt, die bei der zunächst vorgesehenen Ausfädelung ab Rathaus – gerade von den Gewerbetreibenden und Grundeigentümern – äußerst kritisch beurteilt wurden„.

Und so wurde die U4 aus dem Jungfernstieg ausgefädelt und so realisiert, wie wir sie heute kennen. Ironischerweise eine Lösung also, die bedingt „dass Umwege zu fahren wären, die zu unnötig längeren somit weniger attraktiven Fahrzeiten“ führen. Also genau zu einem der Gründe, die man im Vergleich zur Stadtbahn noch als gewichtiges Negativkriterium betrachtete.

Und die der U4 dann auch Kritik einbrachte. Denn so muss die Linie vom Jungfernstieg in die HafenCity eine sehr große Richtungsänderung von über 200° vornehmen. Sie unterquert dadurch weite Teile der Innenstadt in großem Bogen in einem knapp 3 Kilometer langen Tunnel zwischen Jungfernstieg und der nächsten Haltestelle Überseequartier, ohne dort irgendwo zu halten oder Umstiegsmöglichkeiten zu bieten. Dabei werden die S-Bahn-Haltestelle Stadthausbrücke des City-Tunnels sowie die U-Bahn-Haltestelle Baumwall der U3 unterquert. Zum Vergleich: Die übrigen Hamburger U-Bahn-Linien haben auf gesamter Länge einen durchschnittlichen Haltestellenabstand von etwa 800 (Minimalwert, U3) bis 1100 Metern (U1 zw. Norderstedt Mitte und Volksdorf). Gerade im Innenstadtbereich sind die Haltestellenabstände aber nochmal deutlich niedriger (siehe Tabelle unten).

Der Neubauabschnitt der U4 hingegen kommt durch die komplizierte Einbindung ins Bestandsnetz auf einen durchschnittlichen Haltestellenabstand von gut 1,7 Kilometern. Das ist teils mehr als das dreifache der anderen U-Bahn-Linien im Innenstadtbereich.

U1 (Stephansplatz – Hbf Süd)ca. 550 m ⌀ Haltestellenabstand
U2 (Messehallen – Hbf Nord)ca. 750 m ⌀ Haltestellenabstand
U3 (St. Pauli – Hbf Süd)ca. 550 m ⌀ Haltestellenabstand
U4 ( Jungfernstieg – Elbbrücken)ca. 1750 m ⌀ Haltestellenabstand
Durchschnittliche Haltestellenabstände Hamburger U-Bahn-Linien im Innenstadtbereich
Die Grafik zeigt eine Karte der Hamburger Innenstadt mit Verlauf der U4
Die letztlich gebaute U4 (rot) in der HafenCity mit ihren drei Haltestellen.

Was die U4 eigentlich bringen und leisten sollte

Wie bei vielen Verkehrsinfrastrukturprojekten, die von kommunaler Ebene vorangetrieben werden, sollte auch die U4 durch das Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (GVFG) gefördert werden. Der Bund übernimmt dann einen großen Teil der Investitionskosten. Allerdings nur, wenn im Rahmen einer sogenannten Standardisierten Bewertung ein positiver Nutzen-Kosten-Faktor nachgewiesen werden kann. Das heißt, für jeden von Staatshand investierten Euro muss am Ende ein volkswirtschaftlicher Effekt von über einem Euro nachgewiesen werden.

Vereinfacht gesagt müssen die Kosten des Baus durch die prognostizierten Fahrgastzuwächse, Fahrzeitverkürzungen und Verkehrsverlagerungen einen positiven volkswirtschaftlichen Nutzen bringen. Hierbei werden auch die erwarteten Fahrgastzahlen anhand eines Verkehrsmodells errechnet, also prognostiziert. Das geschah natürlich auch bei der U4.

Welche Fahrgastzahlen wurden bei der U4 ursprünglich erwartet?

Hier müssen wir unterscheiden zwischen dem ersten Bauabschnitt bis HafenCity-Universität und der dann im Anschluss gebauten Verlängerung bis zu den Elbbrücken. Denn für beide wurden Fahrgastprognosen vorgenommen und das Verfahren durchlaufen.

Betrachten wir den ersten Bauabschnitt bis HafenCity Universität wurden der Hochbahn zufolge täglich zunächst etwa 23.000 Fahrgäste prognostiziert. Nach Endausbau der HafenCity sollte diese Zahl auf täglich etwa 35.000 Fahrgäste wachsen.

Bei den Planungen zur Verlängerung bis zu den Elbbrücken war die Umstiegsmöglichkeit zur 2019 eröffneten S-Bahn-Haltestelle Elbbrücken nicht sicher gesetzt und sogar zunächst verworfen worden. Daher wurden dort zwei Fahrgastprognosen ermittelt, einmal mit und einmal ohne Umstiegshaltestelle zur S-Bahn. Selbst ohne die S-Bahn-Haltestelle unterstellten die Prognosen täglich 16.000 zusätzliche Fahrgäste zwischen den Haltestellen HafenCity Universität und Elbbrücken.

Bei angesetzter Umstiegsmöglichkeit zur S-Bahn an den Elbbrücken, wie es dann ja auch tatsächlich gebaut wurde, haben die Prognosen sogar täglich 30.000 zusätzliche Fahrgäste ermittelt. Diese Prognose bezieht sich aber auf den Weiterbau bis zum Kleinen Grasbrook. Davon entfielen 20.000 auf die U-Bahn-Verlängerung und 10.000 Fahrgäste bei der S-Bahn durch die neue S-Bahn-Haltestelle. Auch diese Prognose bezieht sich auf den Planfall, dass die Wohn- und Bürogebäude in und um die Elbbrücken vollständig fertig sind. Heute ist dort ja noch vieles eine Baustelle.

Bemerkenswert finde ich an diesen Prognosen, dass der Großteil der Fahrgäste bei der Verlängerung zu den Elbbrücken auf die U-Bahn entfallen soll. Für mich ist das überraschend, da meiner Ansicht nach die U4 im Vergleich zur S-Bahn deutlich schlechter ins Schnellbahnnetz eingebunden ist. Ich hätte erwartet, dass ein Großteil der Fahrten mit Start und Ziel Elbbrücken eher mit der S-Bahn absolviert werden würden. Da dort aber noch nicht viel fertig ist, kann man dazu bis heute keinen sinnvollen Abgleich mit den realen Fahrgastzahlen ziehen. Dazu aber weiter unten mehr.

Anhand der mir öffentlich verfügbaren Medienbeiträge von damals zu diesem Thema käme man also insgesamt zusammen mit der Prognose des ersten Bauabschnitts auf etwa 55.000 tägliche Fahrgäste der U4 zwischen Jungfernstieg und Elbbrücken, ohne den Umstieg zur S-Bahn auf etwa 51.000 tägliche Fahrgäste.

Bestandsaufnahme – Plan und Realität

Nun befindet sich der erste Bauabschnitt der U4 zwischen Jungfernstieg und HafenCity Universität seit zehn Jahren im regulären Fahrgastbetrieb, der zweite Bauabschnitt seit fünf Jahren. Auch der angedachte Umstieg zur S-Bahn an den Elbbrücken wurde dann doch umgesetzt und ist seit gut vier Jahren in Betrieb. Und im Laufe der Zeit wurden auch große Teile der HafenCity fertiggestellt.

Klaffte um die Haltestelle HafenCity Universität 2012 noch eine große Sandwüste, weswegen auch erst 2013 wochentags regulär bis dorthin gefahren wurde, ist um den Lohsepark vieles mittlerweile fertig und die Gegend nicht wiederzuerkennen. Auch weiter östlich um den Baakenhafen ist mittlerweile viel gebaut und fertiggestellt worden. Ganz im Osten um die Haltestelle Elbbrücken ist natürlich noch viel Baustelle und wenig fertig, und auch weiter westlich am Strandkai und am Überseequartier Süd wird zur Zeit noch intensiv gebaut.

Die Grafik zeigt ein Luftbild mit den noch nicht fertiggestellten Bereichen der HafenCity
Luftbild der HafenCity. Große Teile sind mittlerweile fertiggestellt. Lediglich die orange schraffierten Flächen sind noch nicht fertig. Quelle Luftbild: Google Maps.

Aber der Blick auf’s Luftbild zeigt: Bis auf wenige verbliebene Gebäude am Strandkai und das Überseequartier Süd ist die HafenCity westlich der Baakenhafenbrücke im Prinzip fertig. Östlich der Baakenhafenbrücke in Richtung Elbbrücken sieht es noch leerer aus, aber auch hier ist mittlerweile einiges fertiggestellt. Nichtsdestotrotz – die HafenCity ist kein Niemandsland mehr, sondern mittlerweile ein belebter und gut angenommener Stadtteil, von dem große Teile fertiggestellt sind.

Und was sagen vor diesem Hintergrund die Fahrgastzahlen der U4? Ich habe leider keine aktuelleren Zahlen als die von 2019 finden können. Das sind aber Werte, an denen man sich auch 2023 gut orientieren kann. 2020 kam Corona und die Fahrgastzahlen brachen massiv ein. Erst 2022 wurde wieder etwa das Vor-Corona-Niveau erreicht. Im Sommer 2023, durch den Zuwachs des gestarteten 49-€-Tickets, wurde dann vom HVV verkündet, dass man mittlerweile leicht über den Zahlen aus 2019 lag. Man darf also davon ausgehen, dass die Fahrgastzahlen der Haltestellen aus dem Jahr 2019 in etwa der aktuellen Situation entsprechen.

Wenn wir uns die Ein- und Aussteiger 2019 an den drei Haltestellen in der HafenCity anschauen, waren es knapp 18.000 Fahrgäste auf dem gesamtem Abschnitt zwischen Jungfernstieg und Elbbrücken.

Überseequartierca. 10.100
HafenCity Universitätca. 5.250
Elbbrückenca. 2.500
Tägliche Ein- und Aussteiger an den U4-Haltestellen im Jahr 2019

Das ist deutlich weniger, als ursprünglich in den Prognosen vorhergesagt wurde. Zur Erinnerung: Allein der erste Bauabschnitt zur HafenCity Universität sollte nach Fertigstellung der HafenCity 35.000 Fahrgäste täglich aufweisen, vor Fertigstellung wurde mit 23.000 gerechnet. Selbst hier haben wir also 10 Jahre nach Inbetriebnahme gerade mal gut 40 % (bezogen auf die 35.000) bzw. knapp zwei Drittel (bezogen auf die 23.000) der damals prognostizierten Fahrgastzahlen erreicht. Obwohl mittlerweile große Teile der HafenCity in diesem Bereich fertiggestellt sind.

Ich bin kein Experte für die standardisierte Bewertung. Von Menschen, die Experten dafür sind, habe ich aber schon mehrmals gehört, dass das Verfahren in der Regel so angesetzt wird, dass es zu einer eher zurückhaltenden Schätzung der Fahrgastzahlen führt. Man nimmt in der Regel eine eher pessimistische Fahrgaststeigerung an, um auf der sicheren Seite zu sein. Das führt dazu, dass die Fahrgastzahlen in Realität meist letztlich deutlich höher sind, als in den Prognosen der Standardisierten Bewertung zur Ermittlung des Nutzen-Kosten-Faktors vorhergesehen. Vor diesem Hintergrund ist es bemerkenswert, dass die U4 bis HafenCity Universität zehn Jahre nach Inbetriebnahme nicht im Ansatz die erwarteten Fahrgastzahlen erreicht.

Nun soll das Überseequartier Süd laut Aussagen des Investors und der Stadt ein Publikumsmagnet werden. Man kann daher durchaus argumentieren, dass die Zahlen daher noch nicht aussagekräftig sind. Das stimmt. Sicher wird die 2024 geplante Eröffnung zu einer starken Fahrgastzunahme auf der U4 führen.

Aber um die Prognosen zu erreichen, müsste dieses eine verbliebene Projekte allein eine Verdopplung der Fahrgastzahlen bringen. Ob das realistisch ist, ist schwer zu beurteilen. Der Investor des Überseequartiers Westfield bewirbt das Projekt mit gut 16 Millionen jährlichen Besuchern. Das wären etwa 44.000 pro Tag. Ob das realistisch ist oder eher als Werbung verbucht werden muss, kann ich nicht einschätzen. Wenn dieser Wert realistisch ist und ein Großteil der Besucher mit der U4 an- und abreist, könnten die Prognosen jedenfalls tatsächlich noch erreicht werden. In den nächsten Jahren werden wir schlauer sein.

Das Überseequartier Süd mit dem Westfield Objekt könnte somit zur Ehrenrettung der U4 beitragen. Ursprünglich war dieser Publikumsmagnet an dieser Stelle nämlich gar nicht geplant (und damit natürlich auch nicht Grundlage der damaligen Fahrgastprognosen). Ursprünglich war dort zu Zeiten der U4-Planungen noch eine überwiegende Büronutzung mit deutlich weniger Bruttogeschossfläche angedacht als beim nun kurz vor Fertigstellung stehenden Westfield Überseequartier Süd.

Weiter zu den Elbbrücken sollten es zusätzlich 16.000 tägliche Fahrgäste ohne Umstieg zur S-Bahn sein, 20.000 mit. Hier muss die Zukunft zeigen, wie es weitergeht, da das Haltestellenumfeld hier schlicht noch sehr unvollständig ist. Ich bin dennoch skeptisch, ob die prognostizierten Fahrgastzahlen erreicht werden. Selbst wenn dort alles fertig gebaut ist, sehe ich nicht so richtig, warum die U4 davon so stark profitieren sollte. Bis auf wenige Relationen ist die S-Bahn schlicht der einfacherere und schnellere Verkehrsträger von und zu den Elbbrücken. Dazu weiter unten mehr.

U4 bis heute: heiße Luft statt volle Züge – aber warum?

Nun ist die U4 also zehn beziehungsweise fünf Jahre in Betrieb und große Teile der westlichen HafenCity fertiggestellt. Nichtsdestotrotz fährt die U4 nach wie vor im Innenstadtbereich als einzige Hamburger U-Bahn-Linie tagsüber nur im 10-Minuten-Takt statt im 5-Minuten-Takt. Und trotzdem sind die Züge oft erschreckend leer. Sowohl im Abschnitt in Überlagerung mit der U2 als auch auf dem Neubauabschnitt in der HafenCity.

Ich habe immer, wenn ich mal zufällig vorbeigekommen bin, ein paar Fotos gemacht. Meine Beobachtungen zeigen die Fotos. Während die U2 auf dem Überlagerungsabschnitt am Berliner Tor gut besetzt ist, ist die U4 deutlich weniger ausgelastet, häufig im Prinzip nahezu leer. Und auch im Neubauabschnitt in der HafenCity herrscht oft gähnende Leere in den Zügen. Die Aufnahmen sind alle wochentags etwa zur Mittagszeit aufgenommen worden, immer wenn ich zufällig mal vorbeikam.

Klar, zu den Stoßzeiten sieht es natürlich anders aus. Es ist natürlich nicht so, dass die U4 zu allen Zeiten gähnend leer ist. Aber für einen 10-Minuten-Takt in Innenstadtlage ist das auch zur Mittagszeit erschreckend wenig. Die Frage ist nun, woran liegt das? Immerhin fährt die Linie ja mittlerweile seit zehn bzw. fünf Jahren und hat sogar noch einen ursprünglich gar nicht vorgesehenen Umstieg zur S-Bahn an den Elbbrücken erhalten.

Punkt 1 – die HafenCity ist schlicht immer noch nicht fertig

Natürlich liegen die geringen Fahrgastzahlen der U4 wie bereits angesprochen in Teilen daran, dass Ankerprojekte wie z.B. das Überseequartier Süd noch nicht fertig sind. Die Fahrgastzahlen werden sicher nochmal merklich steigen, wenn das Überseequartier Süd fertig ist und die Elbbrücken fertig bebaut sind. Keine Frage.

Ob die Prognosen am Ende erreicht werden, wird die Zeit zeigen. Ich glaube aber durchaus, dass der bisherige Misserfolg der U4 nicht nur an den Verzögerungen bei der Bebauung der HafenCity liegt. Er ist in Teilen auch hausgemacht, da die letztliche Umsetzung der Linie durchaus auch als unglücklich bezeichnet werden kann. Das kann man meiner Meinung an den folgenden Punkten festmachen.

Punkt 2 – unglückliche Streckenführung

Dieser Punkt wurde im kurzen Abriss zur Entwicklungsgeschichte der U4 bereits angerissen. Wir sehen hier letztlich das Ergebnis dessen, was bereits im oben angesprochenen ursprünglichen Masterplan der HafenCity angerissen und weshalb im Ursprung die Stadtbahn statt der U-Bahn favorisiert wurde:

…schwierig gestaltet sich eine Integration in das öffentliche Schnellbahnliniennetz. Zwar liegen Haltestellen in Nachbarschaft und die Nahverkehrsknotenpunkte in nicht allzu weiter Entfernung vom Plangebiet; gerade dies macht aber Netzergänzungen unter Beachtung der notwendigen Trassenparameter sowie Berücksichtigung der schwierigen Gründungsverhältnisse in der HafenCity aufwendig.“
Masterplan HafenCity 2000, S.12.

Diese Prophezeiung erfüllte sich dann auch mit der jetzt gebauten U4. Die gewählte Streckenführung ist so umwegig, dass sie im Verhältnis zur geringen Luftlinienentfernung zwischen den Stationen zu langen und unattraktiveren Fahrzeiten für die Fahrgäste führt. Insbesondere in Kombination mit den recht tief liegenden Haltestellen. Man braucht zu Fuß schlicht sehr lange, bis man erstmal auf Bahnsteigebene ist, und dann fährt man auch durch die Streckenführung verhältnismäßig lange, bis man dort ankommt, wo man hinwill.

So ist man vom Rathausmarkt zum Überseeboulevard zu Fuß im Prinzip annähernd gleich schnell wie mit der U-Bahn. Kommt man am Hauptbahnhof an und will zu irgendeinem Hotel in Nähe des Lohseparks, gilt das ähnlich. Ehe man runter zur U-Bahn läuft, dort nochmal ein paar Minuten auf die U4 wartet, um in einem Riesenbogen minutenlang durch einen Tunnel in die HafenCity zu fahren, um dort wieder von tief unten an die Oberfläche zu steigen, kann man als nicht körperlich eingeschränkter Mensch im Prinzip auch direkt laufen.

Insbesondere in Kombination mit Punkt 3 bietet die U4 somit aus vielen Richtungen nur komplizierte Möglichkeiten, in die HafenCity zu gelangen.

Punkt 3 – unglückliche Einbindung ins Restnetz

Die relativ unglückliche Einbindung ins übrige Schnellbahnnetz verstärkt die Nachteile der umwegigen Streckenführung der U4. Als Direktverbindung vom Ostast der U2/U4 ist sie natürlich ein attraktives Angebot in die HafenCity, trotz der umwegigen Streckenführung. Aber wie sieht es aus, wenn man nicht entlang dieses Schnellbahnkorridors wohnt?

Im Prinzip gibt es dann mit der U-Bahn nur noch vom Nordwestast der U2 (mit kurzem Umstieg am Jungfernstieg) und vom Ostring der U3 kommend (mit bahnsteiggleichem Umstieg am Berliner Tor) gute Umstiegsverbindungen in die HafenCity. Gleiches gilt auch für die Anbindung aus Richtung Süden oder Osten mit der S-Bahn kommend, da man schnell und einfach an den Elbbrücken bzw. am Jungfernstieg in die HafenCity kommt. Aber was ist, wenn man nicht aus diesen Richtungen in die HafenCity will?

Vom Südosten aus Richtung Bergedorf kann man zwar mit der S2 gut mit Umstieg am Hauptbahnhof in Richtung Jungfernstieg umsteigen und dort dann kurz in die U4 umsteigen. Dabei fährt man aber fast einmal vollständig im Kreis um die HafenCity herum, wodurch man entsprechend Zeit verliert (wofür in diesem Fall natürlich die U4 nur wenig kann, das ergibt sich überwiegend aus dem historisch gewachsenen Netz).

Von der U1 aus Osten und Norden kommend sieht der Umstieg schon deutlich schlechter aus, da man lange Wege am Jungfernstieg zurücklegen muss und dabei viel Zeit verliert. Dadurch ist es je nach Ziel in der HafenCity teilweise sinnvoller, bis zum Meßberg zu fahren, und den Rest der Strecke zu laufen. Schließlich liegt die Station Meßberg nur jeweils gut 800 m nördlich der Stationen Überseequartier und HafenCity Universität. Und da die beiden Stationen in der HafenCity in ihrem Erschließungsradius in der südlichen Hälfte zu einem großen Teil die Elbe haben, erstreckt sich ihre Erschließungswirkung überwiegend in Richtung Norden – wo es dann eben große Überlappungen zum Erschließungsbereich der Haltestelle Meßberg gibt.

Noch schlechter sieht es aus, wenn man vom Westring der U3 kommend in die HafenCity möchte, oder gar mit der S-Bahn von der Verbindungsbahn. Von beiden Schnellbahnkorridoren kommend ist die HafenCity mit der U4 nur äußert umständlich zu erreichen. Obwohl die U4 die U3 am Baumwall kreuzt, muss man bis zum Jungfernstieg fahren und dort dann den sehr langen Umstieg zur U4 gehen, um im Prinzip wieder zurück zu fahren.

Von der Verbindungsbahn kommend sieht es ähnlich aus. Kürzlich erzählte mir jemand, der zur Arbeit in Nähe der Station Überseequartier muss, dass er von der Holstenstraße kommend immer bis Elbbrücken fährt, um dort dann den Weg zurück mit der U4 zu fahren. Mit dem Rad wären es laut Google Maps 4,4 Kilometer und 15 Minuten auf direktem Weg von Haltestelle zu Haltestelle. Die vom Bekannten als am angenehmsten empfundene Verbindung im Schnellbahnnetz ist enorm umwegig und dauert 22 Minuten – das entspricht einer Durchschnittsgeschwindigkeit von nur etwa 12 km/h. Erschreckend wenig für eine Verbindung, die nur S- und U-Bahn umfasst. Das ist für ihn dennoch die angenehmste Verbindung, anderenfalls müsste er entweder am Dammtor in die U1 (Stephansplatz) und damit zum Jungfernstieg und dort in die U4, oder bis zum Hauptbahnhof fahren und dort dann von der S-Bahn zur U4 umsteigen, was aber enorm lange Umstiegswege bedeuten würde (und mit 19 Minuten auch nur unwesentlich kürzer wäre).

Auch vom City-Tunnel aus Westen kommend ist die Verbindung eher nicht optimal. Zwar unterquert die U4 die Station Stadthausbrücke, der Umstieg ist aber erst am Jungfernstieg möglich, wo man dann wieder in die entgegengesetzte Richtung zurückfahren muss. Auch das macht Verbindungen über diesen Korridor sehr langsam. Dadurch ist man mittlerweile aus dem Raum Altona kommend mit der Buslinie 2 zu vielen Zielen in der HafenCity schneller, als wenn man sich in die S-Bahn setzt und am Jungfernstieg in die U4 umsteigt. Ich halte es durchaus für ein wenig fragwürdig, für eine halbe Milliarde eine U-Bahn-Linie zu bauen, sie dann aber so zu konzipieren, dass sie hinsichtlich der Fahrzeiten aus weiten Teilen der Stadt (im Prinzip weite Teile des Hamburger Westens/Altona) gegenüber dem Bus nicht konkurrenzfähig ist.

Selbst mit der extrem langsamen, weil im Zickzack fahrenden Buslinie 111 ist man von der Reeperbahn schneller an der Haltestelle HafenCity Universität, als wenn man mit den Schnellbahnen dorthin fahren würde (und das von Haltestelle zu Haltestelle, nicht von Straßenebene zu Straßenebene).
Korrektur: Diesen Absatz hatte ich bereits im Frühjahr 2023 geschrieben, er stellt die alten Verhältnisse vor dem Fahrplanwechsel 2023 dar und ist nicht mehr ganz korrekt. Vor dem Fahrplanwechsel waren die Umstiegszeiten am Jungfernstieg sehr lang. Die U4 fährt (und fuhr) ab Jungfernstieg alle 10 Minuten auf Minute 2 in Richtung HafenCity. Die aus Richtung Westen kommende S1 kam jedoch alle 10 Minuten auf Minute 1 am Jungfernstieg an (so sie denn pünktlich ist), wodurch man die U4 immer gerade verpasste und knapp 10 Minuten warten musste. Die S3 kam pünktlich immer auf Minute 5 an, wodurch auch hier die nächste U4 erst 7 Minuten nach Ankunft der S3 fuhr.
Mittlerweile haben sich sich die Fahrlagen der S-Bahn etwas verschoben. Nun ist Planankunft der S1 am Jungfernstieg im Grundtakt auf Minute 0, die der S3 auf Minute 2. Die HVV-App hält nun den Umstieg von S1 zu U4 in 2 Minuten für möglich, wodurch mittlerweile der Bus langsamer ist. Das heißt, wenn die S1 auf die Minute pünktlich ist, man an der vordersten Türe aussteigt und sich schnellen Schrittes auf den Weg runter zum Bahnsteig der U4 macht, könnte man den Umstieg tatsächlich schaffen. Ich halte das für ziemlich sportlich und für den Großteil der Fahrgäste unrealistisch. In vielen Fällen wäre man in Realität am Ende wohl auch nach aktuellem Fahrplan schneller mit dem Bus.

Fazit: Viel Geld für eine unglückliche Lösung

Wir halten also fest: Ja, die HafenCity ist noch nicht ganz fertig und die Fahrgastzahlen der U4 werden in den kommenden Jahren mit Sicherheit steigen, vermutlich sogar deutlich. Aber dass die Fahrgastzahlen zehn bzw. fünf Jahre nach Eröffnung immer noch auf einem im Vergleich zu den Prognosen so geringem Niveau sind, liegt sicher nicht nur daran, dass das Überseequartier Süd noch nicht fertig ist. Sondern wohl auch an der unglücklichen Art und Weise, wie die U4 konzipiert und gebaut wurde.

Die Fokussierung auf den Jungfernstieg als wesentlichen Umstiegsknoten führt zu einer recht geringen Netzwirkung der U4, die in Kombination mit der sehr umwegigen Streckenführung einmal im großen Bogen durch die Innenstadt nur aus wenigen Richtungen attraktive Fahrzeiten und unkomplizierte Verbindungen bietet. Es dauert mit der U4 aus vielen Richtungen im ÖPNV-Netz schliecht ziemlich lang und ist vergleichsweise umständlich, in die HafenCity zu fahren.

Warum die U4 die Hochbahn nochmal etwa 200 Millionen € kostet

Vor dem Hintergrund des vielen Geldes, das die U4 gekostet hat, kann man die letztliche Umsetzung eigentlich nur als sehr unglücklich betrachten. Der erste Abschnitt zwischen Jungfernstieg und HafenCity Universtität kostete etwa 320 Millionen €, der zweite bis zu den Elbbrücken nochmal etwa 150 Millionen € – insgesamt also etwa 470 Millionen €.

Das ist immerhin vergleichsweise wenig, da in der zur Bauzeit noch leeren HafenCity vieles in offener Bauweise und ohne größere Zwangspunkte gebaut werden konnte. Man muss zur heutigen Einordnung allerdings auch berücksichtigen, dass die Baukosten in den letzten Jahren enorm gestiegen sind. Im Tiefbau beispielsweise seit 2010 nach Zahlen des statistischen Bundesamts um etwa 100 % (das ist aber nur ein grober Richtwert, das stat. Bundesamt erfasst vor allem Straßenbau und nicht Spezialtiefbau). Möchte man die U4 mit heutigen Projekten vergleichen, sind die Kosten zu ihrer Bauzeit also nicht mehr ganz aussagekräftig und man müsste die deutlich höheren heutigen Kosten ansetzen, um nicht Äpfel mit Birnen zu vergleichen.

Aber abgesehen davon, was die U4 damals gekostet hat, führt sie meiner Meinung nach auch heute noch zu hohen Kosten. Das im Sommer 2023 vorgestellte Projekt U-Bahn100 ist nämlich ein Projekt, das ohne die U4 in der Form wohl nicht nötig wäre.

Was ist U-Bahn100 und warum braucht man das?

Kürzlich gab die Hochbahn bekannt, auf dem Ostast der U2/U4 ihr Projekt U-Bahn100 bis 2029 umsetzen zu wollen. Die technischen Hintergründe halte ich hier ganz kurz: Dabei geht es darum, auf der Strecke eine Teilautomatisierung des U-Bahn-Betriebs vorzunehmen. Das Fahrpersonal überwacht dann im Wesentlichen nur noch und steuert den Fahrgastwechsel, der Computer fährt. Dadurch kann die Zugfolgezeit auf 100 Sekunden (also gut 1,5 Minuten) reduziert werden. Bisher kann im Hamburger U-Bahn-Netz im regulären Betrieb nur etwa alle 150 Sekunden (also etwa alle 2,5 Minuten) ein Zug fahren. So kann der Takt auf dem Ostast der U2 und U4 von maximal vier Zügen in zehn Minuten auf sechs Züge in zehn Minuten erhöht werden. Kostenpunkt nach ersten Schätzungen: 200 Millionen €.

Begründet wird das u.a. mit dem hohen Fahrgastaufkommen auf diesem Teil des U-Bahn-Netzes, da der Streckenabschnitt mit heute etwa 90.000 Fahrgästen bereits einer der am fahrgaststärksten sei und mit der Erweiterung der U4 in die Horner Geest nochmal mehr Fahrgäste dazu kommen.

„50 Prozent mehr Angebotskapazität auf dem Abschnitt zwischen der Horner Rennbahn und der Hamburger Innenstadt, mit bis zu 90 000 Fahrgästen pro Tag schon heute einer der fahrgaststärksten U-Bahn-Strecken, wird künftig ein deutlich leistungsfähigeres und noch attraktiveres U-Bahn-Angebot für die Fahrgäste ermöglichen.
Hochbahn Pressemitteilung zum Projekt U-Bahn100.

Man deutet sehr stark an, dass die Kapazitätsausweitung etwas mit den Fahrgastmassen zu tun hätte. Ich halte diesen Zusammenhang für nicht gegeben. Vermutlich ist das Projekt schlicht eine Folgewirkung der betrieblichen Nachteile, die man sich mit der U4 ins U-Bahn-Netz baute.

Denn es ist sehr unwahrscheinlich, dass man zur Bewältigung der Fahrgastnachfrage auf diesem Netzabschnitt tatsächlich sechs Züge in zehn Minuten bräuchte. Wenn dem so wäre, würde man mit der U4 bereits heute nicht mehr im 10-Minuten-Takt fahren (und damit „nur“ drei Fahrten in 10 Minuten anbieten), sondern bereits heute das volle technisch mögliche Angebot fahren (also vier Fahrten in 10 Minuten, zwei U2 und zwei U4 in 10 Minuten). Das tut man aber nicht. Der Grund kann in den Fotos oben gesehen werden: Die Züge wären noch leerer als heute.

Man braucht auf dem Ostast der U2/U4 keine sechs Züge in 10 Minuten

Dass man auf dem Ostast der U2/U4 noch mehr als 3 Züge in 10 Minuten bräuchte, gibt die Nachfrage dort nicht her. Nicht umsonst verkehrt die U4 selbst 10 Jahre nach Eröffnung immer noch nur im 10-Minuten-Takt. Die Nachfrage von und nach HafenCity verlangt (noch) keinen 5-Minuten-Takt, und mehr als eine Verstärkerfahrt in 10 Minuten ist für die U2 zwischen Jungfernstieg und Horner Rennbahn auch nicht nötig.

Selbst mit Inbetriebnahme der U4-Verlängerung Richtung Horner Geest wird man dort zur Bewältigung der zusätzlichen Nachfrage nicht mehr Kapazität als einen überlagerten 5-Minuten-Takt beider Linien mit 120 m Länge, also 4 Fahrten in 10 Minuten, brauchen. So einwohnerstark sind die Umfelder der beiden neuen Haltestellen und der Bestandsstrecke nicht, dass sie einen 100-Sekunden-Takt erfordern würden. Machen wir uns nichts vor: Wir sind in keiner der wirklich dicht bewohnten Großstädte dieser Welt, sondern nur im vergleichsweise dünn besiedelten Hamburg.

Das sagt die Hochbahn ja im Prinzip auch selbst: Bereits heute gibt die Hochbahn die maximale Kapazität pro Stunde und Richtung mit etwa 20.000 Fahrgästen an. Nur mal zum Vergegenwärtigen: Der Abschnitt hat heute etwa 90.000 Fahrgäste täglich. Über beide Richtungen. Unterstellt man, dass sich dieses Aufkommen in etwa gleich auf beide Richtungen verteilt, hätte man also pro Richtung etwa 45.000 tägliche Fahrgäste.

Mit der maximal möglichen Kapazität je Stunde und Richtung könnte man also das gesamte Tagesaufkommen bereits in gut 2 Stunden bewältigen. Bei den geplanten 30.000 wäre man bereits nach 1,5 Stunden fertig.

Oder anders gesagt: Ein grober Richtwert für die Spitzenstunde einer Linie sind etwa 10 Prozent des Tagesaufkommens. Selbst wenn wir unterstellen, auf dem Ostast der U2 wären es vergleichweise hohe 15 Prozent Spitzenstundenanteil, wären das knapp 7000 Fahrgäste pro Stunde und Richtung. Die Hochbahn selbst sagt, bereits heute können pro Stunde und Richtung 20.000 befördert werden. Dieser Wert ergibt sich wohl aus 4 Fahrten in 10 Minuten, also 24 pro Stunde, mit 120 m langen Zügen.

Die bereits heute mögliche maximale Kapazität übersteigt die tatsächliche Nachfrage der Spitzenstunde also wohl um mehr als das doppelte. Ich wiederhole mich: Aus dem Grund fährt auch die U4 nach wie vor nur alle 10 Minuten. Man braucht es schlicht nicht.

Warum also sollte man die bereits heute nicht ansatzweise benötigte maximal mögliche Kapazität auf dem Ostast der U2/U4 wegen der Fahrgastnachfrage nochmal für mehrere hunderte Millionen um 50 % auf 30.000 Plätze je Stunde und Richtung erhöhen? Ich denke: Eigentlich will man das gar nicht. Es ist schlicht eine teure Folgewirkung der U4.

Wäre die U4 nicht so unglücklich gebaut worden, bräuchte man U-Bahn100 vermutlich gar nicht

Der eigentliche Grund, warum man das macht, ist meiner Meinung nach folgender: Mit der U4 hat man sich unglückliche betriebliche Restriktionen ins Netz gebaut, die jetzt solche weiteren, an sich unnötigen, Investitionen erfordern.

Was ich damit meine: Zum einen die Aufgabe der Linienreinheit des Hamburger U-Bahn-Netzes. Die Überlagerung beider Linien ist der Ausgangspunkt der Notwendigkeit des Projekts U-Bahn100. Zum anderen die Einbindung der U4 in den Jungfernstieg ohne leistungsfähige Kehrmöglichkeiten an dieser Stelle.

Mit der gebauten Gleisinfrastruktur kann die U4 am Jungfernstieg nicht in einem dichteren Takt als 20 Minuten aus Richtung HafenCity gebrochen werden und kehren. Soll die U4 in einem dichteren Takt gekürzt werden, muss sie mindestens bis Berliner Tor zusammen mit der U2 geführt werden. Gleiches gilt aber auch für die U2, die ebenfalls mangels Kehrgleise nicht in dichtem Takt am Jungfernstieg kehren kann. Und da im Hamburger U-Bahn-Netz nicht mehr als maximal vier Züge in 10 Minuten gefahren werden können, verhindert die U4 somit Taktverdichtungen auf den allein von der U2 genutzten Streckenabschnitten.

Denn zwei Züge kommen bereits aus Niendorf bzw. Mümmelmannsberg von der U2, die dritte kommt bereits jetzt von der U4 aus der HafenCity und die vierte Fahrt wird vermutlich langfristig mit Inbetriebnahme der U4 Horner Geest und der Einführung eines 5-Minuten-Takts auf der U4 kommen. Somit ist die Strecke mit vier Zügen in 10 Minuten belegt.

Ohne U-Bahn100 könnten daher in den allein von der U2 befahrenen Streckenabschnitten langfristig nicht mehr als zwei Züge in 10 Minuten verkehren, weil die zusätzlichen Züge der U2 nicht auf den bereits vollständig ausgelasteten Überlagerungsabschnitt mit der U4 passen und auch nirgends vorher sinnvoll abgekehrt werden können.

Und damit wäre ohne diese Maßnahme für lange Zeit zementiert, dass entlang der allein von der U2 befahrenen Strecken keine Angebotsverbesserungen durch Taktverdichtungen, beispielsweise als Verstärker zu den Stoßzeiten, möglich sind.

Es geht nicht um Verbesserungen für den Hamburger Osten, der ist mit der Überlagerung von U2 und U4 schon bestens versorgt und braucht bei weitem keine sechs Fahrten in 10 Minuten. Es geht vermutlich um alle anderen Abschnitte der U2. Man probiert mit diesen zusätzlichen Millionen von U-Bahn100 auszubügeln, was man sich mit der U4 verbaut hat.

Eine kleine Randbemerkung erlaube ich mir an dieser Stelle: In einer Stadt mit der Siedlungsstruktur Hamburgs ist es meiner Meinung nach mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit so, dass keiner der U-Bahn-Äste ausreichend Nachfrage für mehr als vier Fahrten in 10 Minuten bei 120-m-Zügen aufweist (wenn überhaupt das jemals erreicht wird). Neben dem Projekt U-Bahn100 bewerden die Hochbahn und die Stadt auch die U5 regelmäßig mit dem dort vorgesehenen 90-Sekunden-Takt. Nachtrag vom 11.01.2024: Kürzlich hat der neue Hochbahn-Vorstand dieses Versprechen nochmals bekräftigt. Ich prophezeie an dieser Stelle schon mal, dass der viel beworbene 90-Sekunden-Takt der U5 im normalen Fahrgastbetrieb vermutlich nie kommen wird, auch nicht bei Fertigstellung der gesamten Linie. Und zwar aus dem gleichen Grund, warum man bis heute keinen 5-Minuten-Takt auf der U4 fährt – man würde wohl alle 90 Sekunden viele leere Waggons statt viele Fahrgäste durch die Stadt fahren.

Vor dem Hintergrund kann es eigentlich auch nur als ironisch bezeichnet werden, dass das Projekt U-Bahn100 auch mit nachhaltigerem Betrieb durch die computergesteuerte Fahrweise beworben wird (siehe verlinktes Video weiter oben). Durch 20 % Energieeinsparung (vermutlich im Vergleich einer einzelnen durch den Menschen gesteuerten Bahn) seien die Bahnen „auch noch nachhaltiger unterwegs„. Ich bezweifle, dass es nachhaltiger ist, mehr Bahnen als nötig fahren zu lassen, die dafür überwiegend leer sind, auch wenn die einzelne Bahn 20 % weniger Energie verbraucht.

Und so führen die damals verbauten etwa 500 Millionen € für die U4 zwischen Jungfernstieg und Hafencity zu weiteren (nach ersten Kostenschätzungen) heutigen 200 Millionen € für U-Bahn100, um die Konsequenzen der damaligen Planung zu korrigieren.

Ausblick und Fazit – wie geht es weiter mit der U4?

Was die Fahrgastzahlen angeht glaube ich durchaus, dass die Fertigstellung des Überseequartier Süd nochmal kräftige Fahrgaststeigerungen auf der U4 mit sich bringen wird. Das scheint mir sehr plausibel. Ob die U4 so stark von der Bebauung rund um die Elbbrücken profitieren wird, bezweilfe ich aber. Aus welcher Richtung kommend sollten sich Fahrgäste dafür entscheiden, mit der U4 dorthin zu fahren? Mir fällt da im Wesentlichen nur die Direktverbindung aus dem Ostast der U2/U4 und vielleicht auch noch der Ostring der U3 mit Umstieg am Berliner Tor zur U4 ein. Für alle anderen Schnellbahnrelationen scheint mir die S-Bahn deutlich besser geeignet zu sein, so dass der Effekt für die U4 sich in Grenzen halten dürfte. Vielleicht übersehe ich hier aber auch etwas.

Ich fürchte, mit all dem Geld hätte man die Verkehrswende wohl besser voranbringen können als mit der U4, aber immerhin war sie durch den Bau in unbebautem Gelände vergleichsweise günstig. Damals hat sich auch noch niemand in der Öffentlichkeit wirklich gedanken über die CO₂-Emissionen beim Bau gemacht und wann der Bau eines solchen U-Bahn-Tunnels eigentlich durch die dadurch entstehenden Verkehrsverlagerungen kompensiert werden. Angesichts der immer noch sehr niedrigen Fahrgastzahlen fürchte ich, die Rechnung würde bei der U4 nicht gut aussehen.

Ob die tatsächlich ursprünglich prognostizierten Fahrgastzahlen aber jemals erreicht werden, halte ich für fraglich. Jedenfalls im aktuellen Zustand der U4 zwischen Jungfernstieg und Elbbrücken. Ganz anders sieht das natürlich aus, wenn sie irgendwann bis zum Kleinen Grasbrook und weiter bis nach Wilhelmsburg oder gar Harburg gebaut wird (was aber nicht Grundlage der weiter oben angesprochenen prognostizierten Fahrgastzahlen war).

Durch den unglücklich umgesetzten ersten Abschnitt der U4 zwischen Jungfernstieg und Elbbrücken ist eine weitreichende Verlängerung gen Süden im Prinzip ein Muss für die U4. Aber auch wenn die U4 damit insgesamt noch sinnvoll werden kann – der Abschnitt zwischen Jungfernstieg und Elbbrücken wird wohl für immer ziemlich unglücklich verbaute Millionen darstellen.

Soll die U4 im Verhältnis zu ihren Kosten und ihrer tatsächlichen Leistungsfähigkeit noch eine sinnvolle Funktion im Hamburger Schnellbahnnetz erfüllen, müsste die Verlängerung nach Wilhelmsburg und möglicherweise sogar bis Harburg also ernsthaft in Angriff genommen werden. Das wäre auch nur folgerichtig – man hatte sich ja ursprünglich gerade wegen der guten Eignung für eine Verlängerung nach Süden für die U-Bahn statt der Straßenbahn entschieden. Kommt die Verlängerung nicht, hätte man sich mit der U4 zwar die damals schon prophezeiten Nachteile der U-Bahn gebaut, ohne aber die Vorteile ausspielen zu können.

Verkehrsinfrastrukturen und insbesondere U-Bahnen sind enorm langlebige Bauwerke. Umso wichtiger ist es daher, dass die Verkehrsplanung sich ihrer gesellschaftlichen Verantwortung bewusst ist. Denn einmal geplante und gebaute Entscheidungen sind nur schwer wieder zu korrigieren, insbesondere bei Schnellbahnsystemen. Die Konsequenzen von ungünstigen Entscheidungen werden das Verkehrssystem einer Stadt über Jahrzehnte prägen und können große Folgekosten nach sich ziehen. Die U4 in der HafenCity ist dafür bisher leider ein gutes Beispiel. Sie bietet mit einer Verlängerung Richtung Süden aber auch das Potential starker Verbesserungen.

Wie immer freue ich mich über Kritik und Anregungen zu diesem Beitrag über das Kontaktformular.

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