Die Debatte um die Richtung der Hamburger Verkehrspolitik reißt nicht ab. Kaum eine Woche vergeht, in der nicht irgendein Akteur medienwirksam die Verkehrspolitik der Stadt Hamburg im Allgemeinen oder einzelne Projekte wie beispielsweise die geplante U5 kritisiert. Sei es durch den vom Senat höchstselbst eingesetzten Klimabeirat der Stadt Hamburg, Oppositionsparteien, die Straßenbahnen entweder als Ergänzung oder als Ersatz zur U5 fordern (von der Linken bis zur CDU), oder aber direkt von betroffenen Bürgern. Und diese hier verlinkten Beispiele stellen noch längst keine vollständige Auflistung dar. Kürzlich wurde bekannt, dass aufgrund von massiven Kostensteigerungen allein der U5-Abschnitt zwischen City Nord und Bramfeld etwa 3 Milliarden €, d.h. 500 Millionen € pro Kilometer kosten soll. Mehr als 60 % teurer als die ursprünglich veranschlagten ca. 1,8 Mrd. €. Die Gesamtkosten für die U5 hat die Stadt Hamburg bisher noch nicht einmal veröffentlicht. Dazu kommen andere Debatten, wie zum Beispiel die Einschränkungen für viele weitere Verkehrsprojekte in Hamburg und die unter Verschluss gehaltenen Kosten, die der geplante Verbindungsbahnentlastungstunnel mit sich bringen wird. Grund genug also, sich einmal mit der aktuellen Hamburger Verkehrsentwicklung auseinanderzusetzen und eine Maßnahme vorzustellen, die relativ zügig eine starke Angebotsverbesserung im Hamburger ÖPNV-Netz darstellen könnte – nämlich ein als BRT oder BHNS bezeichnetes Hochleistungsbussystem entlang des Ring 2.

Eine kleine Anmerkung zu Beginn: Die Inhalte in diesem Beitrag stammen in Teilen aus meiner Abschlussarbeit an der TU Dresden in Zusammenarbeit mit der Hamburger Hochbahn aus dem Jahr 2020. Ich habe mir nicht die Mühe gemacht, die Inhalte, Daten und Darstellungen alle zu aktualisieren. Auch wenn sie also schon ein paar Jahre auf dem Buckel haben – grundsätzlich hat sich an den übergeordneten verkehrlichen Zusammenhängen nichts geändert.

Wir fangen an mit einer kurzen Einleitung zu den Hintergründen der aktuellen verkehrlichen Entwicklungen in Hamburg, bevor ich in den weiteren Abschnitten auf die Herleitung und Begründung der skizzierten BRT-Linie eingehen werde. Beachten Sie bitte: Auch wenn dieser Blogbeitrag recht lang geworden ist, handelt es sich nur um eine stark komprimierte Zusammenfassung der ursprünglichen Erarbeitung des Themas. Noch mehr Inhalte hätten den Rahmen eines Blogbeitrags meiner Meinung nach gesprengt.

Aktuelle Situation und Entwicklungspläne des Hamburger ÖPNV

Entwicklung der Fahrgastzahlen im HVV, die von 2007 bis 2019 von 618 auf knapp 800 Millionen Fahrgäste jährlich stiegen. Quelle: HVV.
Entwicklung der Fahrgastzahlen im HVV, die von 2007 bis 2019 von 618 auf knapp 800 Millionen Fahrgäste jährlich stiegen. Quelle: HVV.

Ähnlich wie in anderen deutschen Großstädten wurden im Hamburger Verkehrsverbund (HVV) seit mehreren Jahren steigende Fahrgastzahlen verzeichnet. Von 2007 bis 2019 sind die Fahrgastzahlen um knapp 29 Prozent gestiegen. Auch wenn die Fahrgastzahlen während der Corona-Jahre stark einbrachen, hat sich der ÖPNV mittlerweile wieder erholt und im Prinzip das Vor-Corona-Niveau erreicht. Für die kommenden Jahre kann von weiter steigenden Fahrgastzahlen ausgegangen werden, zumal dies auch der politischen Zielsetzung der Landesregierung entspricht.

Denn die Hamburger Politik in Form der derzeitigen Regierungsparteien SPD und Grüne hat angesichts der Bestrebungen, den Verkehrssektor nachhaltiger zu gestalten, den ÖPNV als Hauptlastträger einer Nachhaltigkeitsstrategie auserkoren. Hauptmotiv der Strategie ist, durch eine massive Ausweitung des ÖPNV-Angebots Verkehrsteilnehmer zur Nutzung des ÖPNV anstelle des privaten PKW zu überzeugen, um die CO2-Emissionen des Verkehrssektors zu verringern sowie die Ziele des Hamburger Luftreinhalteplans zu erreichen. Der Modal Split des ÖPNV soll dazu von derzeit 22 auf 30 Prozent im Jahr 2030 gesteigert werden. Das heißt, 30 Prozent der in Hamburg zurückgelegten Wege sollen mit dem ÖPNV absolviert werden.

Im Mittelpunkt der von der Stadt Hamburg angestrebten Verlagerung vom privaten PKW zum ÖPNV stehen weitreichende Pläne, das U- und S-Bahnnetz in den kommenden Jahrzehnten auszubauen. So soll die U-Bahnlinie 4 in Richtung Osten (Horner Geest) sowie Richtung Süden (Grasbrook) verlängert werden. Für die Verlängerung gen Osten haben bereits die Bauarbeiten begonnen, 2026 soll die Verlängerung in Betrieb genommen werden. Darüber hinaus wurde der Bau des ersten Abschnitts der Linie U5 zwischen den Haltestellen Bramfeld und City Nord begonnen.

Das S-Bahnnetz soll durch den Neubau der S-Bahnlinien S4 und S32 sowie die Verlängerung der Linie S21 erweitert werden. Der östliche Ast der S4 ist bereits in Bau. Dabei handelt es sich aber um keine völlig neue Erschließung, sondern um eine Aufwertung der bisherigen Regionalbahnverbindung zur S-Bahn auf zusätzlichen Gleisen und mit neuen Haltestellen. Die Fertigstellung ist gegen Ende der 2020er geplant. Auch die S21-Verlängerung im Nordwesten hatte kürzlich Baustart und soll Mitte des Jahrzehnts fertig werden. Dabei handelt es sich ebenfalls um keine Neuerschließung, sondern um eine Aufwertung der bisherig dort verkehrenden AKN zur S-Bahn.

Für die S32 existiert bisher nur eine Machbarkeitsuntersuchung, ein Zeithorizont ist bisher unklar. Insbesondere durch die mittlerweile hinzugekommenen Pläne eines neuen S-Bahn-Tunnels vom Hauptbahnhof zum neuen Fernbahnhof Altona-Diebsteich (der sogenannte Verbindungsbahnentlastungstunnel), der die bisherigen Planungen auf den Kopf stelle, ist derzeit völlig unklar, ob, wann und wie diese Netzerweiterung kommen wird. Eine Übersicht über die wichtigsten Schnellbahnausbauvorhaben liefert die untenstehende Karte. Der Verbindungsbahnentlastungstunnel ist dort noch nicht enthalten, da seine Streckenführung bei Erstellung dieser Karte im Frühjahr 2020 noch nicht ausreichend konkret bekannt war.

Geplante oder in Bau befindliche Erweiterungen des Hamburger Schnellbahnnetzes, Stand 2019 (S32 nicht mehr aktuell). Eigene Darstellung, Kartengrundlagen FHH.
Geplante oder in Bau befindliche Erweiterungen des Hamburger Schnellbahnnetzes, Stand 2019 (S32 nicht mehr aktuell und ohne Verbindungsbahnentlastungstunnel).

Was ist an den Plänen der Stadt Hamburg diskussionswürdig?

Die geplanten Schnellbahnausbauten sind immer wieder auch mit kritischen Berichten in den lokalen Medien zu finden. Grundsätzlich ist es natürlich sehr zu begrüßen, dass die Stadt den ÖPNV ernst nimmt und ausbauen möchte. Dennoch gibt es immer wieder auch Kritik an den Vorhaben, die ich hier in fünf wesentlichen Punkten zusammenfassen möchte.

Punkt 1 – die Kosten, bzw. das Preis-Leistungs-Verhältnis und die sich daraus ergebenden Zwänge

Einer der großen Kritikpunkte ist der immense finanzielle Aufwand im Verhältnis zum verkehrlichen Nutzen, den man von all diesen Schnellbahnen erhält (man könnte das landläufig als Preis-Leistungs-Verhältnis bezeichnen).

Alle geplanten Großprojekte konzentrieren sich auf die Schaffung von zusätzlichen Radialverbindungen in und durch die Innenstadt auf einen Hauptbahnhof, der bereits heute als absolut überlastet gilt. Sie bieten somit eben nur jeweils entlang ihrer Korridore in Richtung Innenstadt nennenswerte Vorteile, bringen aber kaum Verbesserung für ein ÖPNV-Angebot in der Fläche oder auf Querverbindungen.

Schauen wir uns das am Beispiel der U5 an: sie kreuzt zwar etliche anderen Schnellbahnlinien, bietet aber dabei häufig entweder gar keine oder keine fahrgastfreundlichen Umstiegsbeziehungen und entfaltet somit kaum Netzwirkung und verkehrlichen Nutzen abseits der Verbindung in die Innenstadt. So existieren zum Beispiel keine oder nur schlechte Umstiegsmöglichkeiten am Rübenkamp, Borgweg, Hoheluftbrücke und der Mundsburg, obwohl die U5 dort vorbeifährt. Fahrgäste aus Bramfeld haben von ihr daher zwar große Vorteile, wenn sie in Richtung Innenstadt wollen.

Nun will ja aber nicht jeder immer in die Innenstadt. Was also, wenn die Leute beispielsweise zum Flughafen, nach Barmbek oder Wandsbek wollen? Für solche Fahrten bietet die U5 Bramfeld trotz neuer U-Bahn vor der Tür keinerlei Verbesserungen, eben weil man kaum sinnvoll zu anderen Schnellbahnlinien umsteigen kann, die in diese Richtungen führen.

Im Zusammenspiel mit den hohen Kosten ergibt sich unter anderem daraus, dass der U5-Abschnitt nach Bramfeld beispielsweise für sich betrachtet nur einen negativen Kosten-Nutzen-Faktor bringt. Das bedeutet, je investiertem Euro kommt in einer volkswirtschaftlichen Betrachtung kein positver Nutzen, also ein Wert über 1 heraus, sondern nur ein Ertrag von weniger als einem Euro. Volkswirtschaftlich gesehen im Prinzip also ein Verlustgeschäft. Ein Wert höher 1 ist aber erforderlich, um Fördergelder vom Bund zu erhalten (bis zu 75 Prozent nach Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz). Dieser Wert > 1 soll aber erst mit Fertigstellung der gesamten U5 erreicht werden.

Das bedeutet: Um nicht alle Milliarden selbst stemmen zu müssen, muss Stand jetzt die Stadt die gesamte U5 bauen. Es ist also ein „Alles oder Nichts“-Plan, der Hamburg in eine ziemlich vertrackte Zwangslage bringt und viel Flexibilität für Planänderungen in der Zukunft raubt. Was mit den restlichen Abschnitten passiert und wie teuer sie werden, steht nach Corona und Ukraine-Krieg angesichts der hohen Kosten nämlich auf wackeligen Füßen.

Punkt 2 – die sehr aufwendigen und CO2-intensiven Bauverfahren

Dazu kommt als weiterer kritisierter Aspekt auch die beim Bau freigesetzten CO2-Emissionen. Nehmen wir wieder das Beispiel U5: Sie bindet über jahre hinweg enorme finanzielle und planerische Resourcen der Stadt Hamburg, obwohl bei solchen gigantischen Tunnelprojekte mittlerweile die Auswirkungen auf die Klimaziele durchaus strittig sind. Denn der Bau von Tunneln ist enorm CO2-intensiv und es ist angesichts der langen Zeit bis zur Fertigstellung schwer abschätzbar, wie viel CO2 durch die von ihr verursachten Verkehrsverlagerungen am Ende eingespart werden kann (und damit auch, wann die U5 die beim Bau freigesetzten Emissionen wieder kompensiert hat). Die Hochbahn will zwar die Emissionen beim Bau reduzieren, aber die Verfahren dazu existieren im Prinzip zur Zeit noch gar nicht und selbst der Klimabeirat der Stadt Hamburg hält die U5 aus diesen Gründen für verfehlt.

Ich kann und möchte mich zu den Diskussionen um die CO2-Gesamtbilanz der U5 gar nicht positionieren, dabei kann man viel hin- und herrechnen, das ist eine Wissenschaft für sich. Die Wahrheit wird wohl irgendwo in der Mitte liegen. Fakt ist jedoch zweifellos: Im Vergleich zu an der Oberfläche verkehrenden Verkehrsmitteln sind nicht nur die Kosten, sondern auch der Aufwand und der CO2-Ausstoß beim Bau von Tunnelstrecken immens höher. Um welchen Faktor höher und bis wann sie wieder kompensiert werden, darüber können sich gern andere detaillierter streiten.

Punkt 3 – der sehr lange Zeithorizont

Ein weiterer sehr relevanter Kritikpunkt ist der enorm langwierige Zeithorizont all dieser Projekte. Nehmen wir wieder das Beispiel der U5: Der erste Abschnitt zwischen Bramfeld und City Nord ist zwar bereits in Bau, trotzdem ist mir kein offizielles Inbetriebnahmedatum bekannt und es war mir bis heute auch nicht auffindbar. Man liest immer wieder, dass ab 2027 erste Testfahrten stattfinden sollen. Ein Eröffnungstermin für den Fahrgastbetrieb wird aber nicht verkündet. Was mit dem Rest der Linie passiert und wann er fertig sein wird, dazu gibt es im Prinzip überhaupt keine Angaben. Es heißt dazu von der Hochbahn seit Jahren nur:

Für den U5-Abschnitt Bramfeld bis in die City Nord haben die bauvorbereitenden Maßnahmen im Herbst 2021 begonnen. Der U5-Abschnitt von Borgweg bis Arenen/Volkspark befindet sich in einem deutlich früheren Planungsstadium. Seriöse Aussagen zu einem möglichen Baubeginn oder der Inbetriebnahme sind derzeit noch nicht möglich.
(www.schneller-durch-hamburg.de)

Man kann davon ausgehen, dass allein die U5 erst um die Jahrhundertmitte vollständig fertig sein wird. Dazu kommt, dass völlig unklar ist, welche verkehrlichen Bedürfnisse und Rahmenbedingungen in den kommenden 20-30 Jahren zum Zeitpunkt der U5-Fertigstellung vorherrschen. Planänderungen sind im Prinzip kaum oder nur extrem schwierig möglich, aus den unter Punkt 1 genannten Gründen.

Und die U5 ist ja nur ein einziges von mehreren der eingangs genannten Megaprojekte zum Ausbau des Hamburger Schnellbahnnetzes. Auch der Verbindungsbahnentlastungstunnel und die S32 nach Lurup/Schenefeld stellen immense Tunnelbauvorhaben dar, auf die im Wesentlichen dieselben Kritikpunkte angewandt werden können. Niemand weiß, wann diese Projekte wirklich fertig sein werden, zu welchem Preis und mit welchem tatsächlichen verkehrlichen Nutzen. Bei der U5 gibt der Senat weder eine Kostenschätzung noch eine Zeiteinschätzung heraus. Für die S32 ist das ähnlich. Vom Verbindungsbahnentlastungstunnel ganz zu schweigen.

Punkt 4 – die Zielkonflikte

Auf der einen Seite stehen also die aufwendigen, CO2-intensiven und langwierigen Vorhaben der Stadt Hamburg. Auf der anderen Seite stehen die politischen Ziele und insbesondere die damit verbundene Zeitschiene. Hamburg will, wie gesagt, bis 2030 im ÖV einen Anteil von 30 Prozent am Modal Split erreichen.

Nur: 2030 ist in sieben Jahren. Was von den vorhin angesprochenen Schnellbahnlinien wird bis dahin wirklich fertig sein und seinen Beitrag dazu leisten können?

Auf der Habenseite stehen mit hoher Wahrscheinlichkeit die zur S21 (dann im neuen Liniennetz S5) aufgewertete AKN-Strecke nach Kaltenkirchen und die U4-Verlängerung in Richtung Horner Geest. Mit viel Glück auch noch die zur S4 aufgewertete Regionalbahntrasse in Hamburgs Osten und der U5-Abschnitt zwischen Bramfeld und City Nord. Der S4-Teilinbetriebnahmetermin 2027 scheint aber bereits zu wackeln und zum ersten Bauabschnitt der U5 konnte ich wie gesagt gar keinen konkreten Eröffnungstermin finden.

Selbst wenn man ein maßlos optimistischer Mensch ist und unterstellt, dass wirklich alle vier genannten Netzerweiterungen bis 2030 fertig sind: Das Bisschen zusätzliche Kilometer Schnellbahnnetz würde längst nicht reichen, um die selbst gesteckten Ziele bis 2030 zu erreichen.

Grundsätzlich ist es natürlich sehr zu begrüßen, dass Hamburg langfristig den schienengebundenen ÖPNV mit dem Ausbau des Schnellbahnnetzes attraktivier machen möchte. Letztendlich ist die Situation aber folgende: Die Stadt Hamburg setzt auf wenige extrem teure und langwierige Großprojekte, die zur Erreichung der selbst gesteckten Ziele zu spät kommen und durch ihren hohen baulichen Aufwand möglicherweise sogar mit den Emissionszielen in Konflikt stehen. Mit U5, S4, S32 und so weiter ist die Verkehrswende in Hamburg erst um die Jahrhundertmitte zu erreichen. Frühestens. Die S-Bahn-Station Ottensen ist seit 20 Jahren durch Stadt und S-Bahn Hamburg in Planung und Bau und bisher noch immer nicht eröffnet. Wann sind dann erst U5, S4, Verbindungsbahnentlastungstunnel, S32 und so weiter fertig?

Punkt 5 – zur Zielerreichung bleibt nur das derzeitige Bussystem

Es bleibt also für kurz- und mittelfristige Angebotsverbesserungen zur Erreichung der politisch gesetzten Ziele bis 2030 (Ich wiederhole: Modal-Split des ÖPNV bei 30 Prozent in 7! Jahren) im Wesentlichen nur noch das Bussystem, auf das man setzen kann. Die Straßenbahn gibt es in Hamburg seit 1978 nicht mehr und sie ist derzeit auch politisch tot. Zudem hätte auch eine Straßenbahn bei Planungsbeginn heute aufgrund der Komplexität einer kompletten Neueinführung einen langen Planungs- und Bauhorizont bis zur letztendlichen Inbetriebnahme. Bis 2030 ist also auch sie definitiv aus dem Rennen.

Also wird im Rahmen der bereits angesprochenen Angebotsoffensiven des Senats auch eine massive Ausweitung des Busverkehrs geplant. Das Problem ist dabei meiner Meinung nach: Wen sollen die vielen zusätzlichen Buslinien und Taktverdichtungen zum Umstieg vom Auto in den ÖPNV bringen, wenn der Bus nun zwar alle 5 Minuten vor der eigenen Haustür abfährt, er aber genauso wie bereits heute überall im Stau steht und nicht vorwärts kommt, also keine attraktiven und zum Auto konkurrenzfähigen Reisezeiten bietet? Es ist zwar eine massive Erhöhung des Fahrten- und Linienangebots geplant – eigene Infrastruktur soll der Bus in Hamburg bisher aber kaum bekommen. Jedenfalls hat man davon öffentlich bisher noch nicht viel gehört. Ganz abgesehen von der Frage, woher das Fahrpersonal für all diese vielen zusätzlichen Busse überhaupt herkommen soll.

Und somit bliebe das Bussystem auch in Zukunft genauso unzuverlässig, wie es bereits heute ist. Die Zielmarke von 30 Prozent ÖV-Modal-Split im Jahr 2030 ist damit jedenfalls vollkommen illusorisch. Aber das muss doch irgendwie auch besser und schneller gehen, oder?

Und genau aus diesem Grund möchte ich einen anderen Lösungsansatz vorstellen. Wenn man schon gezwungenermaßen nur auf den Bus setzen kann, dann doch bitte wenigstens richtig. Nämlich mit einem Hochleistungsbussystem, genannt BRT oder in Europa oft auch BHNS/BHLS (Bus à haut niveau de service/bus with a high level of service).

BRT? Bus-Rapid-Transit? Was ist das denn?

Ich weiß, was viele jetzt denken. Ein Bus? Der soll uns die Verkehrswende bringen? Wir haben in Hamburg doch schon „das modernste Bussystem Europas“ (O-Ton Olaf Scholz) eingeführt. Der Effekt der verbauten Millionen? Naja, reden wir besser nicht drüber.

Es ist wahr: Der Bus als leistungsfähiges und attraktives ÖPNV-Angebot ist in Deutschland leider ein ziemliches Nischenthema. Hierzulande liegt der Fokus bei höherwertigen ÖPNV-Angeboten sehr stark auf schienengebundenen Systemen, auch in Fachkreisen hat der Bus keinen guten Stand. Es gibt viele Vorurteile und Vorbehalte, der Bus hat schlicht ein Imageproblem. Das liegt leider unter anderem an solchen Bussbeschleunigungsprogrammen wie in Hamburg, die viel Geld kosten und so inkonsequent geplant und umgesetzt werden, dass am Ende nicht viel bei rum kommt. Dass der Bus dadurch natürlich nicht als wahnsinnig vertrauenserweckendes Verkehrsmittel und schon gar nicht als ein Puzzlestück zur Lösung unserer Verkehrswendeprobleme wahrgenommen wird, darf auch wirklich nicht wundern.

Und das, obwohl der Bus – wenn man es denn richtig macht – eine schnelle, kostengünstige und hochwertige Ergänzung zu schienengebundenen Systemen sein kann. Ich bin natürlich nicht der einzige, der das erkannt hat. Auch der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) hat angesichts der Herausforderungen, vor denen wir im Verkehrssektor stehen, bereits vor zwei Jahren das „Jahrzehnt des Busses“ ausgerufen.

Was ist seitdem passiert? Nun, ich würde sagen, bis auf die Elektrifizierung der Flotte (die uns allein leider keine neuen Fahrgäste bringen wird) – nichts. Der VDV spricht zwar von der Notwendigkeit von einem „umfangreichen Ausbau des (Bus-)Verkehrsangebots in hoher Qualität mit effizienten und innovativen Konzepten“, davon ist bisher aber deutschlandweit weder etwas zu sehen noch irgendetwas größeres in Planung.

Denn leider ist in Deutschland die Ablehnung dem Bus gegenüber doch eher groß, die Scheuklappen in der Verkehrsbranche immer noch aufgesetzt. In anderen Ländern, auch in Europa, ist das zum Glück anders und es wird etwas pragmatischer gehandelt. Übrigens auch schon, bevor wir hierzulande das Jahrzehnt des Busses ausgerufen haben. Zeit also, dass wir uns der Sache auch hierzulande mal annehmen – finde ich jedenfalls.

Ich will dabei keine Grundsatzdiskussionen um BRT/BHNS oder Straßenbahnen starten. Beide Systeme haben ihre spezifischen Vor- und Nachteile, das eine kann das andere nicht ersetzen. Aber beide haben auch ihre Existenzberechtigung. Angesichts der Herausforderungen, vor denen wir stehen, sollten wir faktenbasiert und pragmatisch Verkehrsentwicklung und Angebotsverbesserungen im ÖV vorantreiben.

Im europäischen Kontext werden BRT-Systeme gerne auch als BHNS oder BHLS („bus à haut niveau de service“ bzw. „bus with a high level of service“, also ein Bus mit hoher Angebotsqualität) bezeichnet.

Es gibt in Europa einige sehr konsequente Umsetzungen davon, man kann sich das auf Youtube zum Beispiel in Nantes gut anschauen. Dort wird seit 2019 (neben einem umfassenden Straßenbahnnetz, nur um das der Vollständigkeit halber zu erwähnen) mit etwa 25 m langen Doppelgelenkbussen auf einem hohen Anteil eigener Trasse in einem dichten Takt gefahren, an den Kreuzungen und Ampeln wird der Bus priorisiert. Natürlich durch die Abstimmung von Fahrzeug und Haltestelle barrierefrei und batterielektrisch. Auch in Metz (Mettis) und anderen Städten gibt es ähnliche solcher Systeme.

Also insgesamt eine Systembetrachtung der Buslinie. Ähnlich wie bei einer modernen Straßenbahn entsteht ein einheitliches System in dem Fahrweg, Haltestelle, Fahrzeug, Verkehrstechnik und Betrieb möglichst ideal aufeinander abgestimmt sind. Es können im Wesentlichen acht Kernkomponenten identifiziert werden, die BRT oder BHNS/BHLS-Systeme kennzeichen. Ihre konkrete Ausgestaltung ist sehr lokalspezifisch und unterscheidet sich zwischen verschiedenen Systemen in verschiedenen Ländern und Städten teils stark, grundsätzlich sind sie aber übergreifend vorhanden. Die acht Kernkomponenten lassen sich in vier baulich-technische und vier betrieblich-organistatorische gliedern. In Europa existieren insbesondere in Frankreich sehr konsequent umgesetzte Systeme, so zum Beispiel die bereits oben verlinkten Umsetzungen vom e-Busway in Nantes oder auch das Mettis genannte System in Metz.

Baulich-technische Kernkomponenten:

  • Fahrweg: Linie überwiegend auf eigener Trasse verkehrend (als grober Richtwert können mind. 80-90 Prozent des Linienwegs angenommen werden)
  • Haltestellen: barrierefreie und komfortable ausgestattete Haltestellen, die oft in einer systemweit einheitlichen und teils auch markanten architektonischen Formsprache gehalten sind und für den Fahrgast moderne Fahrgastinformationssysteme bereitstellen. Die Haltestellen liegen in der Regel in der Geraden, um ein möglichst bündiges Anfahren zu ermöglichen. Der Einsteig erfolgt möglichst niveaugleich mit auf die genutzten Fahrzeuge abgestimmten Bussteighöhen und -kanten, um die Barrierefreiheit zu gewährleisten
  • Verkehrstechnik und -telematik: Bevorrechtigungsschaltung an den Ampeln im Linienweg (d.h., die Ampel wird möglichst immer für den Bus auf Grün schalten, wenn er sich der Ampel annähert)
  • Fahrzeuge: Möglichst lange Fahrzeuge mit einer hohen Anzahl an Türen, um einen reibungslosen Fahrgastwechsel zu ermöglichen. Oft handelt es sich um Doppelgelenkbusse. Mittlerweile werden vermehrt batterieelektrische Lösungen bevorzugt (z.B. wie beim sogenannten e-Busway in Nantes)

Betrieblich-organisatorische Kernkomponenten:

  • Bedienungshäufigkeit und Betriebszeiten: Dichte Taktung (mindestens alle 5-10 Minuten ein Bus) und oft auch Nachtverkehr ähnlich wie bei schienengebundenen Systemen
  • Zugang/Ticketing: ähnlich wie bei schienengebundenen Systemen kein Ticketverkauf beim Fahrpersonal, welches i.d.R. nur in Ausnahmefällen noch direkten Kundenkontakt hat
  • Streckenführung/Netzstruktur: BRT-Linien bieten in der Regel direkte Verbindungen zwischen den jeweiligen Teilräumen ohne häufige Abbiegevorgänge oder Umwege entlang bereits existierender Achsen des Kfz-Verkehrs. Die Verbindungsfunktion der Linie steht deutlich vor der Erschließungsfunktion
  • Vermarktung/Kommunikation: Fahrzeuge, Haltestellen und Darstellung in z.B. Liniennetzplänen sind deutlich markanter als bei regulären Buslinien. Oft existiert ein einheitliches Corporate-Design, welches bei den Haltestellen und bei den Fahrzeugen aufeinander abgestimmt ist und die BRT-Linien für den Fahrgast deutlich und leicht erkennbar von regulären Busverkehren hervorheben

Man muss es sich ein bisschen vorstellen, wie die Hamburger Metrobuslinie 5. Nur konsequent und besser umgesetzt. Also: Längere und komfortablere Fahrzeuge. Busfahrer, die sich auf das Fahren konzentrieren können und nicht auf den Fahrkartenverkauf. Eine wirklich ernst gemeinte Bevorrechtigung der Busse an den Ampeln. Haltestellen, die für den Fahrgast und nicht für den umliegenden Kfz-Verkehr optimiert sind.

Da es im deutschen Einsatzkontext noch keine allgemeine Definition von BRT- bzw. BHNS-Systemen gibt, kann folgende Definition als Arbeitsgrundlage vorgeschlagen werden:

Als BRT-System wird ein Nahverkehrsangebot verstanden, welches auf gummibereiften, nicht mechanisch spurgeführten Fahrzeugen basiert, die für den allgemeinen Straßenverkehr an ihrem Einsatzort zugelassen sind. Die das BRT-System bildende/n Linie/n müssen dabei folgende Eigenschaften erfüllen:

  • Länge von mindestens drei Kilometern
  • mindestens auf 80 Prozent der Linienlänge eigene Trasse
  • Bevorrechtigung der Fahrzeuge an allen LSA im Linienweg
  • (annähernd) höhengleicher, barrierefreier Ein- und Ausstieg
  • Reisegeschwindigkeit von Endpunkt zu Endpunkt von mindestens 19 km/h
  • kein Fahrkartenverkauf beim Fahrer
  • möglichst direkte und umwegfreie Führung, Verbindungsfunktion vor Erschließungsfunktion
  • klar erkennbare eigene Produktkategorie in Abgrenzung zum regulären Busverkehr durch zum Beispiel Haltestellen- und Fahrzeuggestaltung, Hervorhebung in Liniennetzplänen o.Ä.
  • Fahrgastunterstände und digitale Fahrgastinformationssysteme an allen Haltestellen
  • Betriebsleitzentrale mit Echtzeitüberwachung der Fahrzeuge gesondert für die BRT-Linie/n

Und das wäre was für Hamburg? Was wären die Vorteile?

Ich denke: Auf jeden Fall. Denn wie gesagt: Die Schnellbahnen sind erst in Jahren fertig, ein Bussystem ist deutlich schneller umzusetzen. Und man schlägt zwei Fliegen mit einer Klappe: In gleichem Zuge, wie der Verkehrsraum für den Kfz-Verkehr genommen wird, wird gleichzeitig auch das attraktive ÖPNV-Angebot in Betrieb genommen und eine Alternative zum Auto geschaffen. Push und Pull Maßnahmen für die Verkehrswende finden demnach annähernd zeitgleich statt, was einen großen Erfolg bei den erwünschten Verlagerungseffekten im Modal-Split erhoffen lässt.

Je nach Umsetzung ist voraussichtlich – anders als bei schienengebundenen Systemen – kein Planfeststellungsverfahren notwendig, da zur Einrichtung eines BRT-Systems in der Regel „simple“ Straßenbaumaßnahmen und Ampelanpassungen ausreichen, wie sie in einer Großstadt wie Hamburg jährlich an zig Stellen ohnehin durchgeführt werden.

In weiten Teilen könnten, je nachdem wie ambitioniert man an die Sache rangeht, einfache Markierungsarbeiten zur Herstellung der Eigentrasse für den Bus bereits ausreichend sein. Die Fahrbahn ist ja auf den meisten Magistralen bereits mindestens vierstreifig vorhanden und ohnehin mit Sicherheit für den Schwerlastverkehr ausgelegt. Solche Dinge müssten aber natürlich je nach Einzelfall genauer geprüft und geplant werden.

Zudem ist das Konfliktpotential mit der bestehenden Infrastruktur bei Bussen deutlich geringer als bei Straßenbahnen. Beispielsweise stellen die lichte Höhe bei Unterführungen wegen der nicht benötigten Oberleitung oder das deutlich höhere Gewicht der Straßenbahnfahrzeuge bei Brücken für einen Bus deutlich kleinere Probleme dar. Je nach politischem Willen könnte das also für deutsche Verhältnisse sehr schnell gehen.

Wie schnell das gehen kann, führt die Umbaumaßnahme in der Steinstraße in der Hamburger Innenstadt vor Augen. In wenigen Monaten wurde die Straße von einer vierstreifigen und auf den Kfz-Verkehr konzentrierten Straße zu einer Bustrasse mit Radverkehrsangebot umgeplant und umgebaut, inklusive Haltestellen und Anpassung der Ampelanlagen. Grund hierfür war die U3-Baustelle in der Mönckebergstraße. Natürlich nur provisorisch, aber der Punkt ist: Es geht also, wie man sieht, sehr schnell. Wenn man denn will sogar deutlich vor 2030. Und zur Erreichung der Ziele der Verkehrswende sollten wir schnell sein wollen.

Was wäre der Nachteil? Nunja, der Komfort reicht natürlich nicht an schienengebundene Systeme heran, auch die Barrierefreiheit nicht. Und auch die Kapazität hat bei einem Bus irgendwann das Ende der Fahnenstange erreicht. Die Fahrzeuge können durch die fehlende Spurführung im Prinzip nicht wesentlich länger als 25 Meter werden, um noch im Straßenverkehr praktikabel zu sein. Das begrenzt natürlich auch die maximale Kapazität – Schienenfahrzeuge bieten da deutlich, deutlich mehr Luft nach oben. Und, auch ganz wichtig: Anders als bei schienengebundenen Systemen, bei denen es über das Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz eine etablierte Förderpraxis gibt und der Bund bis zu 75 Prozent der Kosten bezuschusst, gibt es für Busse keine etablierte Bundesförderung, d.h. die Kommune muss deutlich mehr Kosten selbst tragen. Aber wie eingangs erläutert: Schienengebundene Systeme stellen zur Zeit keine Lösung für die Hamburger Problemstellung dar. Es bleibt zur Zielerreichung eh nur noch der Bus.

Warum der Ring 2 ein idealer Einsatzort für ein solches System wäre

Anbieten würde sich ein solches System natürlich dort, wo derzeit noch kein oder ein wenig konkurrenzfähiges ÖPNV-Angebot existiert, es eine ausreichend hohe Verkehrsnachfrage gibt und natürlich entlang eines Korridors, der nicht ohnehin bereits von existierenden oder geplanten Schnellbahnlinien abgedeckt ist.

Dafür bietet sich auf den ersten Blick unter anderem der Ring 2 an. Warum? Aus einer Vielzahl von Gründen, die ich hier kurz zusammenfassen möchte. Eine kleine Anmerkung: Ich stelle die Idee hier am Beispiel des Ring 2 vor, weil er meiner Meinung nach aus den untenstehenden Gründen dafür prädestiniert ist. Das bedeutet natürlich nicht, dass sich der Einsatz nur auf diesen einen Korridor beschränkt. Meiner Meinung nach sollte man ein ganzes Netz mit solchen Linien auf allen wichtigen und geeigneten Korridoren anlegen, die nicht bereits von den Schnellbahnen abgedeckt sind.

Da der Text bis hier schon so lang geworden ist, fasse ich die Gründe hier stichpunktartig zusammen, damit die Schnellen unter euch direkt zum nächsten Kapitel springen können. Wer etwas mehr Zeit hat, kann die einzelnen Gründe etwas ausführlicher weiter unten lesen:

  • entlang des Ring 2 gibt es eine Reihe an zentralen Orten der Stadt Hamburg, die von übergeordneter Bedeutung sind – hier gibt es eine hohe Dichte an Einwohnern, Arbeitsplätzen und Freizeitzielen, die durch den Ring 2 auf direktem Wege miteinander verbunden sind
  • es gibt eine sehr hohe Verkehrsnachfrage entlang des Ring 2, diese wird aber vor allem im privaten Kfz-Verkehr befriedigt, da entlang des Ring 2 kein konkurrenzfähiges ÖPNV-Angebot existiert (langsame und verspätungsanfällige Buslinien, stark fragmentierte Linienverläufe ohne umstiegsfreie Direktverbindung)
  • da der Ring 2 nahezu alle Schnellbahnlinienäste kreuzt, bietet er prinzipiell gute Umstiegsmöglichkeiten – eine schnelle Querverbindung entlang des Ring würde daher eine gute Netzwirkung entfalten und die U- und S-Bahnlinien in und über die Innenstadt entlasten
  • auch wenn eine Straßenbahn entlang des Ring 2 vermutlich noch besser als ein BRT-System geeignet wäre, ist eine solche Lösung politisch in Hamburg leider ein rotes Tuch – immerhin könnte mit dem Bus gegenüber der Straßenbahn schneller ein hochwertiges Angebot entlang des Ring 2 geschaffen werden
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Für alle, die sich etwas genauer mit den Gründen auseinandersetzen wollen, habe ich sie in den folgenden Absätzen etwas ausführlicher erläutert.

Grund 1: Siedlungsstruktur/Zentrale Orte
Nach Hamburger Zentrenkonzept befinden sich in Nähe des Ring 2 sich zwei von vier Hamburger Hauptzentren (Wandsbek und Altona) und fünf von sechs Bezirkszentren, die Schwerpunkte der übergeordneten Versorgung mit zentralen Nahversorgungs-, Dienstleistungs- und Verwaltungsangeboten darstellen (Eimsbüttel Zentrum, Hoheluft, Eppendorfer Markt, Winterhuder Markt, Barmbek-Nord). Zudem befinden sich hier viele Arbeitsplätze. Diese Orte sind durch den Ring 2 wie auf einer Perlenkette aufgereiht direkt und ohne Umwege miteinander verbunden (siehe untenstehende Karte) und stellen wichtige Schwerpunkte für Quellen und Ziele von Wegen dar.

Stadtstruktur und zentrale Orte im näheren Umfeld des Ring 2. Die Einwohner- und Arbeitsplatzangaben beziehen sich auf die eingekreisten Flächen, nicht auf eventuell gleichnamige Stadtteile. Stand 2019.
Stadtstruktur und zentrale Orte im näheren Umfeld des Ring 2. Die Einwohner- und Arbeitsplatzangaben beziehen sich auf die eingekreisten Flächen, nicht auf eventuell gleichnamige Stadtteile. Stand 2019.

Grund 2: Hohe Einwohnerzahlen
In einem beidseitigen 550-Meter-Abstand zum Ring 2 wohnen knapp 250.000 Menschen. Bei einem Anteil mobiler Personen von 89 Prozent der Bevölkerung laut letzter Erhebung im Rahmen der Mobilität-in-Deutschland-Studie in diesem Teil Hamburgs ergibt sich eine hohe Anzahl an Wegen der Einwohner, die entlang des Ring 2 beginnen oder enden.

Grund 3: Hohe Anzahl an Arbeitsplätzen
Entlang des Ring 2 befinden sich allein mit dem Universitätsklinikum Eppendorf, der City Nord und dem Industriegebiet Billbrook mindestens 60.000 Arbeitsplätze. Die Vielzahl an Arbeitsplätzen an den oben genannten zentralen Orten ist dabei noch nicht berücksichtigt, da ich über die Anzahl keine valide Datengrundlage hatte. Auch diese stellen bedeutende Quellen und Ziele von Wegen dar.

Einordnung des Ring 2 in das übergeordnete Straßennetz. Kein Anschluss an die A24, weitestgehend kein Teil des Bundesstraßennetzes.
Einordnung des Ring 2 in das übergeordnete Straßennetz. Kein Anschluss an die A24, weitestgehend kein Teil des Bundesstraßennetzes.

Grund 4: Sehr hohe Nachfrage im Kfz-Verkehr
Der Ring 2 ist einer der am stärksten belasteten Hamburger Straßenzüge. Die Verkehrsstärken entsprechen etwa denen der Magistralen in die Innenstadt und sorgen für hohe Lärm- und Schadstoffbelastungen, gegen die die Stadt ohnehin etwas unternehmen will und muss. In weiten Teilen des Straßenzugs betragen die Verkehrsstärken 40.000-50.000 Fahrzeuge täglich. Im Bereich der City Nord werden sogar knapp 70.000 Fahrzeuge täglich gezählt. Das zeugt also grundsätzlich von einer hohen Verkehrsnachfrage entlang des Ring 2. Da er nur durch Umwege aus dem übergeordneten Straßennetz zu erreichen ist (überwiegend nicht als Bundesstraße ausgewiesen, kein Anschluss an die A24 im Hamburger Osten etc.), handelt es sich vermutlich überwiegend um Nah- und Regionalverkehre, die mit einem attraktiven Angebot im ÖPNV ebenso gut abgedeckt werden können. Da der Ring 2 durchgehend zweistreifig je Fahrtrichtung ist und sich vielerorts zusätzlich beidseitige Parkstreifen in einem mindestens 30 Meter breiten Straßenquerschnitt befinden, bietet der Straßenzug zudem grundsätzlich genügend Platz zur Umverteilung von Verkehrsflächen für den ÖPNV.

Karte mit den Verkehrsstärken auf Hauptverkehrsstraßen in Hamburg. Der Ring 2 ist die am stärksten vom Kfz-Verkehr befahrene Tangentialverbindung und erreicht Kfz-Stärken, die in etwa denen vieler Radialen in die Innenstadt entsprechen.
Verkehrsstärken auf Hauptverkehrsstraßen in Hamburg. Der Ring 2 ist die am stärksten vom Kfz-Verkehr befahrene Tangentialverbindung und erreicht Kfz-Stärken, die in etwa denen vieler Radialen in die Innenstadt entsprechen.
Typische Verkehrsraumaufteilung entlang des Ring 2. Vier Fahrstreifen mit beidseitigem Parkstreifen bieten Spielraum zur effizienteren verkehrlichen Nutzung des Querschnitts. 2 Fahrstreifen könnten auch exklusiv für den Bus genutzt werden. Eigene Aufnahme, Frühjahr 2020.

Grund 5: Derzeit kein konkurrenzfähiges ÖPNV-Angebot
Der ÖPNV bietet entlang des Ring 2 leider kein attraktives Angebot. Die zwischen den Teilräumen verkehrenden Metrobuslinien 20, 23, 25, 26 und 28 sind langsam und verspätungsanfällig und entsprechen eher regulären Busverkehren als höherwertigen Nahverkehrsangeboten. Die tatsächlich erreichten Durchschnittsgeschwindigkeiten sind auf einigen Linien und Abschnitten nichtmalmehr zweistellig, wie eine detaillierte Analyse der Fahrzeiten ergab.

Zudem ist das Angebot stark fragmentiert. Eine umstiegsfreie Verbindung zwischen den Teilräumen entlang des Ring 2 existiert nicht. Die Linien decken immer nur einen Teil des Ring 2 ab, teils auch mit größeren Umwegen. Wer eine längere Strecke entlang des Ring 2 mit dem ÖPNV zurücklegen möchte, muss daher in der Regel umsteigen. Da die Linien alle ziemlich verspätungsanfällig sind, ist das Erreichen der Anschlüsse im Busverkehr insbesondere zu den Hauptverkehrszeiten häufig reine Glückssache.

Das höherwertige Busangebot (nur Metro- und Expressbuslinien) entlang des Ring 2 mit Umstiegen zum Schnellbahnnetz. Kein durchgängiges Angebot, sondern eine starke Fragmentierung. Zudem sind die Linien sehr langsam und verspätungsanfällig. Insbesondere im östlichen Bereich zudem viele Umwege. Weiß mit schwarzer Umrandung hervorgehoben der Ring 2. Stand 2019.
Das höherwertige Busangebot (nur Metro- und Expressbuslinien) entlang des Ring 2 mit Umstiegen zum Schnellbahnnetz. Kein durchgängiges Angebot, sondern eine starke Fragmentierung. Zudem sind die Linien sehr langsam und verspätungsanfällig. Insbesondere im östlichen Bereich zudem viele Umwege. Weiß mit schwarzer Umrandung hervorgehoben der Ring 2. Stand 2019.

Man kann also zusammenfassen, dass es entlang des Ring 2 zwar eine hohe Nachfrage im privaten Kfz-Verkehr gibt, gleichzeitig aber kein konkurrenzfähiges ÖPNV-Angebot. Das derzeitige Busangebot entlang des Ring 2 ist so langsam, dass trotz großer Umwege und vieler Umstiege ein Großteil der Verbindungen schneller und verlässlicher als mit dem Bus über das Schnellbahnnetz, meist mit Fahrt durch die Innenstadt, absolviert werden kann.

Das führt dazu, dass die Schnellbahnlinien in und über die Innenstadt unnötig mit Fahrgästen belastet werden, die dort eigentlich gar nicht hin wollen, durch die Netzstruktur und die fehlende attraktive Querverbindung aber dazu gezwungen werden. Dabei operieren die U- und S-Bahnlinien zu Stoßzeiten teils bereits an ihrer Kapazitätsgrenze. Nicht umsonst will die Hochbahn zum Beispiel für mindestens 200 Millionen Euro den Betrieb auf der U2/U4 automatisieren, um auf dem Nordwestast der U2 mehr als 2 Fahrten in 10 Minuten anbieten zu können. Eine Entlastung durch eine leicht verständliche und attraktive Querverbindung im Netz wäre also durchaus sinnvoll.

Auch der oben angesprochene Ausbau des U- und S-Bahnnetzes wird diesen Umstand nur geringfügig ändern, da auch diese Linien wie das Bestandsnetz zentral auf die Innenstadt ausgerichtet sein werden. Da der Ring 2 wie in der untenstehenden Karte sichtbar aber bis auf die S-Bahn-Strecke nach Harburg alle bestehenden und geplanten U- und S-Bahnlinien schneidet, kann eine hochwertige ÖPNV-Erschließung entlang des Ring 2 bei baulich und betrieblich gut gelösten Umstiegshaltestellen eine hohe Netzwirkung entfalten und die in Hamburg fehlende Tangentialverbindung im ÖPNV-Netz schaffen. So werden die U- und S-Bahnradialen in die Innenstadt entlastet und die Attraktivität des ÖPNV in Hamburg insgesamt gestärkt.

Karte des Schnellbahnnetzes mit in Nähe des Ring 2 liegenden Haltestellen. Der Ring 2 ist zwar gut mit bestehenden oder geplanten Schnellbahnhaltestellen erschlossen, diese führen aber nur radial in die Innenstadt. Die einzige Tangentialverbindung im Schnellbahnnetz stellt annähernd der gelb hervorgehobene nördlich und westlich der Alster gelegene Teil der U3 dar. Die U3 deckt aber nicht die etwas peripherer entlang des Ring 2 gelegenen, ebenfalls sehr dicht bewohnten Stadtteile ab. Östlich der Alster gibt es im Schnellbahnnetz keine Tangentialverbindung.

Grund 6: Politische Rahmenbedingungen

Die Politik der Stadt Hamburg ist wie eingangs bereits beschrieben grundsätzlich darauf ausgerichtet, den ÖPNV massiv auszubauen, um Verlagerungen vom MIV zum ÖPNV zur Erreichung von Klimazielen zu erwirken. Entlang des Ring 2 gibt es zudem fokussierte Bestrebungen, die MIV-Belastung des Straßenzugs insbesondere im östlichen Bereich zu reduzieren. Dabei wurde auch schon auf unkonventionelle Maßnahmen wie die Einrichtung einer roten Welle für den Kfz-Verkehr zurückgegriffen.

Man verschlechtert also auf dem Ring 2 die Bedingungen für den Kfz-Verkehr, gleichzeitig gibt es aufgrund der schlechten ÖPNV-Erschließung (und der vielerorts desolaten Radwege) entlang des Ring 2 gar keine attraktiven Alternativen zum Auto. Zumal die Busse entlang des Ring 2 ja durch die rote Welle für den Kfz-Verkehr genauso mit im Stau stehen. So jedenfalls gewinnt man niemanden für die Ziele der Verkehrswende.

Die Einrichtung eines BRT-Systems durch Neuaufteilung des Querschnitts mit Reduzierung der MIV-Fahrstreifen und Schaffung eigener Fahrstreifen für den Bus (und anständiger Radverkehrsanlagen) trägt somit zum Erreichen beider Ziele bei. Zudem wird dadurch die problematische Schadstoff- und Lärmbelastung entlang des Straßenzugs verringert. Angesichts der Analyseergebnisse ist zudem vordergründig ein hoher Anteil der von Seiten der Politik angestrebten Verkehrsverlagerungen vom MIV zum ÖPNV zu erwarten. Neu generierte Verkehre durch Einrichtung eines BRT-Systems sind unter den gegebenen Rahmenbedingungen nur in geringem Maß zu erwarten.

Da die Klimaziele möglichst schnell erreicht werden sollen, bietet ein BRT-System darüber hinaus aufgrund seiner im Vergleich zu schienengebundenen Verkehrsmitteln relativ kurzen Planungs- und Umsetzungszeit deutliche Zeitvorteile. Da die derzeit in Hamburg regierende SPD die Wiedereinführung der Straßenbahn sowieso kategorisch ausschließt und eine U- oder S-Bahn als Querverbindung ebenfalls abgelehnt wird (die wäre vermutlich tatsächlich auch überdimensioniert) kommt eine schienengebundene Lösung derzeit ohnehin nicht in Frage.

Wo genau könnte diese BRT-Linie langführen?

Lässt man sich von den bestehenden Bus- und Schnellbahnlinien leiten, sollte ein hochwertiges ÖPNV-Angebot entlang des Ring 2 natürlich zunächst einmal alle der in der ersten Karte identifizierten relevanten Teilräume abdecken.

Im westlich der Alster gelegenen Teil entspricht der Verlauf also vom Bahnhof Altona kommend bis zum Winterhuder Marktplatz im Wesentlichen den bereits bestehenden Buslinien 20 und 25. Allerdings sollte das BRT-System sinnvollerweise auch durch die (neue) Mitte Altona und entlang des geplanten Holstenquartiers geführt werden, da diese Gebiete mit hochwertigen ÖPNV-Angeboten derzeit unterversorgt sind.

Vom Winterhuder Markt geht es dem Weg der 20 folgend zum Jahnring nördlich des Stadtparks, dort dann aber gen Süden abzweigend über die Saarlandstraße zur Alten Wöhr, um dort den Umstieg zur S1 zu ermöglichen. Von dort geht es zurück auf den Ring 2 bis zum S-Bahnhof Tiefstack. Möglicherweise könnte man zur besseren Erschließung des Gewerbegebiets auch über eine Verästelung der Linie mit Zweig Richtung Billwerder-Moorfleet nachdenken. Die untenstehende Karte bildet den skizzierten Linienverlauf samt Haltestellenlagen ab. Rückblickend betrachtet würde ich die Linie heute wohl zwischen Winterhude und UKE nicht mehr über den Eppendorfer Markt, sondern durch die Goerne- und Kellinghusenstraße führen, um dort an die U-Bahn anzuschließen und die Haltestelle an der U Hudtwalckerstraße zum Winterhuder Markt schieben.

Skizzierter Verlauf der BRT-Linie vom Bahnhof Altona weitestgehend dem Ring 2 folgend halbkreisförmig bis zum S-Bahnhof Tiefstack.

So ergibt sich zwischen Altona und Tiefstack eine etwa 20 Kilometer lange Streckenführung, die alle eingangs identifizierten Teilräume möglichst direkt und zentral erschließt und miteinander verbindet. Der Haltestellenabstand von durchschnittlich etwa 920 Metern ist für eine Buslinie bewusst relativ hoch und orientiert sich an üblichen Werten von Schnellbahnlinien – es soll ja ein Bus-Rapid-Transit System sein.

Wie man in der Karte sieht, können bis auf den Nordwestast der U2 (der Umweg an der Fruchtallee wäre einfach zu umständlich) alle Äste der den Ring 2 kreuzenden Schnellbahnlinien abgedeckt werden. Bei einer ÖPNV-orientierten Umplanung der Haltestellen könnten also sehr attraktive Umstiegsrelationen geschaffen werden. Eine genauere Erläuterung und Begründung der gewählten Streckenführung findet sich in dieser Tabelle (man sehe mir bitte nach, dass ich die nur aus dem Ursprungsdokument abgescreenshotet habe – es war mir einfach zu langwierig, das alles in ein für die Webseite geeignetes Tabellenlayout zu formatieren).

Das ist natürlich nur eine sehr grobe Skizze dieser BRT-Linie. Nimmt man an, dass die eingangs beschriebenen Kernkomponenten konsequent umgesetzt werden und das System überwiegend auf eigenen Spuren und mit konsequenter Bevorrechtigung an den Ampeln betrieben wird, kann man dennoch überschlägig die Beförderungszeiten zwischen den Haltestellen ermitteln. Dabei bin ich von einer für solche Systeme durchaus üblichen durchschnittlichen Haltezeit von 20 Sekunden und einer Höchstgeschwindigkeit von durchschnittlich 50 km/h ausgegangen und habe zwei Fälle unterschieden: Einen Bestfall, an denen die Fahrzeuge mit einer absoluten Bevorrechtigung an den Ampelanlagen behandelt werden, d.h. es ist wirklich konsequent immer grün, wenn der Bus kommt, und einen zweiten Schlechtestfall, bei dem ich von durchschnittlich 10 Sekunden Behinderungszeit an jeder Ampel im Linienweg ausgegangen bin.

Einschränkend muss ich dazu sagen, dass die 50 km/h gewählt wurden, weil davon ausgegangen wurde, dass das System streckenweise auf eigener Trasse mit 60 bis 70 km/h verkehren könnte und somit näherungsweise die wenigen kurvigen Abschnitte, in denen nur 20-30 km/h gefahren werden könnten (z.B. im Raum Altona) ausgeglichen werden. Das ist verkehrsrechtlich theoretisch möglich, praktisch allerdings unklar, die Details erspare ich mir hier. Letztendlich geht es ohnehin nur darum, eine grobe Ahnung davon zu bekommen, von welchen Beförderungszeiten man ungefähr ausgehen könnte.

Die untenstehende Tabelle zeigt ausgehend von diesen Annahmen die Spannweite vom Best- und Schlechtestfall der Beförderungszeit (tBeförderung) und der Durchschnittsgeschwindigkeit (⌀v) der BRT-Linie zwischen Altona und Tiefstack im Vergleich zu den Hamburger U-Bahn-Linien (Stand Fahrplanjahr 2020). Selbst im schlechten Fall bei Annahme von 10 Sekunden Behinderungszeit an jeder Ampel im Linienweg käme man noch auf eine Durchschnittsgeschwindigkeit von etwa 25 km/h – für eine Buslinie ein außerordentlich hoher Wert, insbesondere im Vergleich zum Status Quo der dort verkehrenden Metrobuslinien.

Ausgehend von dieser überschlägigen Berechnung der Beförderungszeit habe ich auch eine Aufstellung der Reisezeitveränderungen im Vergleich zum bestehenden Hamburger ÖPNV-Netz vorgenommen (Stand Fahrplanjahr 2020). Durch die BRT-Linie käme es zu spürbaren Reisezeitvorteilen zwischen den eingangs identifizierten Teilräumen entlang des Ring 2.

Das wurde für Haltestellen aller Teilräume gemacht, ist aber für diesen Beitrag zu umfangreich. Ich möchte das hier nur einmal exemplarisch anhand der folgenden beiden Karten am Beispiel der Starthaltestellen Barmbek Nord und Gärtnerstraße zeigen. Zugegeben ist die Karte ein bisschen schwer lesbar, ich habe sie jetzt aber aus Zeitgründen für diesen Artikel nicht nochmal neu gemacht. Ich erläutere die Darstellung kurz, in der Hoffnung, dass es dann etwas einfacher verständlich wird.

Von der schwarz umkreisten Starthaltestelle aus ist die Fahr- bzw. Beförderungszeit zu den anderen Haltestellen der BRT-Linie in der kleinen Tabelle unter den Haltestellennamen angegeben. Der linke Wert zeigt die Beförderungszeit im ÖPNV-Bestandsnetz an (Fahrplanjahr 2020), anschließend folgt die ungefähre Fahrzeit im privaten PKW (die wurde nur überschlägig mit Google-Maps ermittelt). In den beiden Spalten auf der rechten Seite folgt dann die Beförderungszeit im BRT-Schlechtestfall mit den 10 Sekunden Behinderungszeit an jeder Ampel und ganz rechts dann die Beförderungszeit im BRT-Bestfall mit absoluter Priorität an den Ampeln. Ist die Tabelle grün gerahmt, bedeutet dies einen Zeitvorteil in beiden BRT-Fällen, ist sie gelb gerahmt einen Zeitvorteil nur im BRT-Bestfall. Ist die Tabelle rot gerahmt, ist das Auto und/oder die bestehende ÖPNV-Verbindung schneller.

Reisezeitveränderungen beim BRT-System am Beispiel der Starthaltestelle Barmbek Nord.
Reisezeitveränderungen von der Starthaltestelle Barmbek-Nord.
Reisezeitverändungen von der Starthaltestelle Gärtnerstraße.

Wie man anhand der beiden Beispiele erkennen kann, ergeben sich bei Implementierung des BRT-Systems zu vielen Haltestellen entlang des Linienwegs deutliche Zeitvorteile, sowohl im Vergleich zum privaten PKW aber auch auch insbesondere zum bestehenden ÖPNV-Netz. Je nach gewählter Starthaltestelle fallen diese größer oder kleiner aus, insgesamt stellt die skizzierte BRT-Linie aber eine enorme Verbesserung im Hamburger ÖPNV-Netz dar.

Fahrzeugeinsatz, Betriebskonzept, Kapazität, bauliche Umsetzung

Für die Umsetzung sollte man sich an guten und konsequenten Beispielen aus dem Ausland orientieren. Insbesondere die beiden bereits angesprochenen Systeme in Metz oder Nantes könnten hier als Blaupause dienen. Auch bei den Fahrzeugen kann sich an den dortigen Systemen orientiert werden.

Insbesondere Nantes hat hier eine Vorreiterrolle eingenommen, da dort mittlerweile seit 2019 batterieelektrische Doppelgelenkbusse eines Schweizer Fabrikanten eingesetzt werden, die an den beiden Endhaltestellen und an zwei Haltestellen im Linienweg während des Fahrgastwechsels mittels eines eigens entwickelten Schnelladesystems per Stromabnehmer aufgeladen werden. Es sind die einzigen mir bekannten vollelektrischen Doppelgelenkbusse, die keine Oberleitungsinfrastruktur erfordern. Auch in der Schweiz, z.B. in Genf und in Basel, werden solche Busse eingesetzt. Mittlerweile wird das System auch nach Australien für das dortige BRT-System in Brisbane geplant. Solch eine Lösung könnte natürlich auch für Hamburg interessant sein.

Zugegebenermaßen habe ich keine gesicherten Erkenntnisse darüber, wie gut oder schlecht das System in Nantes funktioniert, insbesondere was die Haltbarkeit und damit die Wirtschaftlichkeit aufgrund der starken Belastungen der Batterien durch die Schnellladevorgänge angeht. Da es aber seit 2019 im Fahrgasteinsatz ist, mir bisher nichts negatives in der Fachpresse vor die Augen gekommen wäre und das System auch von anderen Städten adapiert wird, unterstelle ich einfach mal, dass es offenbar nicht wahnsinnig schlecht laufen kann.

Die Fahrzeuge sind – ähnlich wie die vor einigen Jahren auch noch auf der Linie 5 in Hamburg eingesetzten Doppelgelenkbusse – knapp 25 Meter lang und ermöglichen so auch mehr Platz für bewegungseingeschränkte Fahrgäste, seien sie im Rollstuhl, mit Rollator oder mit Kinderwagen unterwegs. Eine Tram könnte hier natürlich besseres anbieten, aber wenn man auf den Bus angewiesen ist, ist das mit das beste, was man kriegen kann.

Ausgehend von den überschlägig ermittelten Beförderungszeiten wären für den reinen Fahrgastbetrieb grob folgende Fahrzeuganzahlen zu den vorgeschlagenen Takten und Betriebszeiten nötig (jeweils Best- und Schlechtestfall):

  • für einen Betrieb im 5-Minuten-Takt etwa 19 bis 23 Fahrzeuge (von etwa 6 bis 20 Uhr)
  • für einen Betrieb im 10-Minuten-Takt 10 bis 12 Fahrzeuge (früher Morgen von 4 bis 6 Uhr und 20 bis 22 Uhr)
  • für einen Betrieb im 20-Minuten-Takt 5 bis 6 Fahrzeuge (ab 22 Uhr bis Betriebspause bzw. ab etwa 4 Uhr; Betriebspause in Abstimmung mit Umstiegen zu ersten U- und S-Bahnlinien bzw. Nachtverkehr an den Wochenenden)

Im Vergleich zu den jetzt benötigten Fahrzeugen auf den Linien entlang des Ring 2 bedeutet dies vermutlich eine deutlich geringere Anzahl an benötigten Fahrzeugen und, viel wichtiger, natürlich auch an Fahrpersonal. Denn aufgrund der deutlich schnelleren Durchschnittsgeschwindigkeit ist ein deutlich wirtschaftlicherer und günstigerer ÖPNV-Betrieb im Vergleich zum Bestandsnetz zu erwarten. Die Fahrzeuge könnten auf den Betriebshöfen Wandsbek oder Alsterdorf stationiert werden, die in unmittelbarer Nähe des Ring 2 liegen. Hierfür sind voraussichtlich Umbauten erforderlich.

Geht man von den gleichen Fahrzeugen aus, die auch in Nantes genutzt werden, ergibt sich bei einem 5-Minuten-Takt eine Kapazität von 1800 Plätzen je Stunde und Richtung, die im Bedarfsfall bei einem maximal möglichen 3-Minuten-Takt auf bis zu 3000 Plätze je Stunde und Richtung erhöht werden könnte.

Zur Abgrenzung der BRT-Linie vom übrigen Busverkehr sollten markante Fahrzeuggestaltung (Beklebung) und ein Haltestellenkonzept mit Wiedererkennungswert entwickelt werden. Auch eine Integration der BRT-Linie in den schematischen Liniennetzplan wäre denkbar.

Passt das in den Straßenraum?

Das wäre natürlich entlang des gesamten Linienverlaufs zu prüfen und detailliert zu planen. Ich hatte in meiner Freizeit angefangen, von einigen Teilen der Strecke ganz grobe Skizzen der BRT-Trasse zu zeichnen. Eigentlich wollte ich den gesamten Streckenverlauf zeichnen, aber dafür hat mir am Ende dann doch die Zeit gefehlt, seit ich nicht mehr studiere und angefangen habe zu arbeiten. Diese Skizzen sind einfach aus persönlichem Interesse entstanden. Der Vollständigkeit halber möchte ich hier ein paar Skizzen aus dem östlichen Bereich der Linie zeigen. Sie sind nicht besonders hübsch aufbereitet und nicht wirklich gut verständlich. Ich möchte nur beispielhaft zeigen: Wenn man die Verkehrsräume neu organisiert, kriegt man die BRT-Linie gut in die Straßen integriert.

Ich möchte ganz stark betonen, dass das nur sehr grobe Skizzen sind, die ich als Student ohne relevante Praxiserfahrung im Straßenentwurf schnell gezeichnet habe. Bäume, Markierungen, Ampelstandorte etc. sind nur symbolisch zum besseren Verständnis der Zeichnung und keine genaue Planung. Die Skizzen stellen eine allererste Überlegung dar, wie die skizzierte BRT-Linie in den Straßenraum integriert werden könnte. Sie erheben nicht den Anspruch, alle Belange und Restriktionen vollumfänglich berücksichtigt zu haben. Es gelten die auf den Blättern erwähnten Einschränkungen.

Grobe Lageplanskizze Bereich Horner Rennbahn
Grobe Lageplanskizze Bereich Marienthal/Robert-Schumann-Brücke
Grobe Lageplanskizze Bereich Wandsbek Markt

Fazit

Damit kommen wir zum Ende dieses Beitrags. Ich denke, eine gut geplante, konsequente und systematische Planung und Umsetzung einer solchen Linie könnte einen sehr wichtigen Beitrag zur Steigerung der Attraktivität des Hamburger ÖPNV und zur Umsetzung der Verkehrswende insgesamt leisten. Attraktive Beförderungszeiten, stabiler und zuverlässiger Betrieb, eine hohe Netzwirkung, lokal emissionsfrei und für einen Bus so barrierefrei wie nur möglich. Etwas besseres ist in Hamburg bis 2030 nicht zu bekommen.

Natürlich ist es dazu erforderlich, dem Kfz-Verkehr Flächen und Kapazität zu nehmen. Aber dafür gibt es ja im gleichen Atemzug auch eine schnelle, verlässliche und komfortable Alternative zum Umstieg auf den ÖPNV oder das Rad. Denn logischerweise sollten im Zuge der Implementierung des BRT-Systems auch die Radverkehrsanlagen und deren Führung neu konzipiert werden, die sind nämlich in vielen Teilen des Ring 2 ebenfalls unterirdisch (teilweise sind die Anlagen in einem Zustand, als seien sie seit 40 Jahren nicht mehr angefasst worden, insbesondere im Bereich City-Nord-Barmbek-Nord; ich empfehle dort mal eine Fahrt mit dem Fahrrad, gerne auch mit einem dreispurigen Lastenrad – Mission Impossible).

Abschließend: Natürlich wäre aller Voraussicht nach auch eine Straßenbahn ideal für diesen Korridor geeignet. Je nachdem, worauf man Wert legt und was Priorität genießen soll, sogar besser. Allerdings sind wir halt nunmal in Hamburg mit seinen lokalspezifischen Besonderheiten, was Straßenbahnen angeht. Das finde ich persönlich bedauerlich, aber so sind nunmal die Verhältnisse. Also muss man halt schauen, wie man das beste daraus macht.

Immerhin hätte ein BRT-System auch zweifellos Vorteile gegenüber einer Tram, die man meiner Meinung nach kaum wegdiskutieren kann. Zum Beispiel, dass bei der Tram stärkere technische Restriktionen zu prüfen wären, insbesondere was die Nutzung bestehender Über- und Unterführungen angeht und die bauliche Umsetzung grundsätzlich deutlich aufwendiger wäre. Darüber hinaus wäre in jedem Fall ein Planfeststellungsverfahren für die gesamte Trasse nötig, was die Umsetzung vor 2030 absolut unrealistisch macht. Wir sind halt nicht nur in Hamburg, sondern müssen uns auch im übergeordneten deutschen Planungs- und Baurecht mit all seinen langwierigen Verfahren bewegen.

Idealerweise plant man die BRT-Trasse halt einfach so, dass perspektivisch leicht eine Umnutzung für Schienenfahrzeuge möglich wäre. Dann kann man, sobald man merkt, dass die Fahrgäste einem die Bude einrennen und die Kapazität selbst bei einer Verdichtung des Taktes auf einen 3-Minuten-Takt nicht mehr ausreicht, immerhin die Trasse baulich relativ unkompliziert auf Straßenbahnbetrieb aufrüsten. Und dass das innerhalb weniger Jahre nach Einführung dieser BRT-Linie passieren würde, halte ich angesichts der räumlichen und verkehrlichen Rahmenbedingungen für sehr wahrscheinlich.

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